Es hört sich wie ein Paradox an, aber in Kasachstan, dem sprichwörtlichen Steppenland, ist eines der wichtigsten Feuchtgebiete der Erde beheimatet. Inmitten der Saryarka, der Großen Steppe im Herzen des Landes, die wörtlich übersetzt „Gelber Rücken“ heißt, liegt das fast 3.000 Quadratkilometer große Schutzgebiet um den Tengiz und die Korgalzhiner Seen.
Rastplatz für 30 Millionen Zugvögel
Der Tengiz-See ist ein salzhaltiger, abflussloser Steppensee, der hauptsächlich durch den Fluss Nura gespeist wird. Mit 1.500 Quadratkilometern ist er dreimal so groß wie der Bodensee. Zusammen mit den Süßwasserseen von Korgalzhin ist er in ein riesiges Meer aus Schilf und Rohrkolbenröhricht eingebettet, das Zehntausenden Wasservögeln Unterschlupf bietet. Am Tengiz lebt die nördlichste und zugleich größte Kolonie von Rosaflamingos weltweit. Bis zu 25.000 Paare dieser Vogelart nisten hier. Auch Krauskopfpelikane und Kormorane, Jungfernkranich und Silberreiher, Kampfläufer, Adlerbussard, Rötelfalken und Steppenadler sind in diesem Schutzgebiet zu Hause, viele davon für die baumlosen Steppenlandschaften typische Bodenbrüter.
Die Seen um den Tengiz sind die größte Wasserfläche in der kasachischen Steppe, und sie bilden die Kreuzung von zwei der weltweit wichtigsten Vogelzugwegen, dem zentralasiatisch-indischen und dem eurasisch-afrikanischen Migrationsweg. Hier treffen sich zwei Mal im Jahr bis zu 330 verschiedene Vogelarten. Aktuelle Zählungen haben ergeben, dass jährlich bis zu 30 Millionen Wasservögel an den Gewässern inmitten der Steppe rasten.
Die letzten 200 Steppenkiebitze
Biologen von der Royal Society for the Protection of Birds untersuchen am Tengiz derzeit den Steppenkiebitz, einen nur in Kasachstan lebenden Bodenbrüter. Laut Norbert Schäffer von Bird Life International ist die Art kurz vor dem Aussterben. „Wir gehen derzeit davon aus, dass es nur noch 100 Paare des Steppenkiebitz’ gibt, obwohl man in einem Land wie Kasachstan nie weiß, ob irgendwo noch eine kleine Kolonie lebt,“ so der Biologe. Wichtig sei jetzt vor allem, die noch brütenden Paare und ihren Nachwuchs zu schützen. Schäffers Kollegen sind deshalb mit Nestkameras ausgerüstet, um das Brutverhalten der Vögel genau zu untersuchen, und sie spannen Zäune um die Nester, damit keines der kostbaren Jungtiere unnötig verloren geht.