Der schwarze Streifen hebt sich deutlich vom hellen Sandstrand vor seinem Haus auf den Bahamas ab. An einem sonnigen Morgen im März entdeckt Ken Balcomb nach dem Aufstehen einen gestrandeten Cuvier-Schnabelwal. Der Meeresbiologe ist sofort alarmiert – die Kleinwale sind nur äußerst selten in Küstennähe zu beobachten, und von Strandungen dieser Art hat er noch nie gehört. Balcomb macht sich mit seinen Kollegen schnell daran den Schnabelwal wieder ins Meer zu bringen. Doch der Wal ist völlig verstört: mehrmals muss Balcomb ihn daran hindern wieder an den Strand zu schwimmen bis er nur noch orientierungslos durch die Bucht kreist. 17 weitere Wale stranden an diesem Tag völlig orientierungslos an unterschiedlichen Stränden der Bahamas. Bei seiner Recherche stößt der Biologe auf einen seltsamen Zufall: Zu der Zeit der Strandungen hielt die Marine direkt an der Küste ein U-Boot Manöver ab. Auf öffentlichen Druck hin leitet die US NAVY eine interne Untersuchung ein, die etwa ein Jahr später offiziell die Aktivität von zwei Mittelfrequenz-Sonarsystemen als Grund für die Strandung ermittelt.

Bereits 1996 suchten Zoologen einen Zusammenhang zwischen der Strandung von Schnabelwalen im Mittelmeer und einer neuen Technologie der Marine: ein intensives Hoch- und Niedrigfrequenz-Sonar. Das System sendet auf der Suche nach U-Booten Frequenzen zwischen 250 und 3.000 Hertz mit einer Lautstärke von mehr als 230 Dezibel durch die Stille der Meere. Diese „Schallbomben“ schädigen das Gehör der Wale, dass sie nur noch benommen und orientierungslos durch das Wasser trieben.
Seither erforschen Zoologen und Meeresbiologen gezielt Walsterben, das zeitlich mit Marine-Manövern zusammenfällt. Nachdem im Frühling 2005 wieder eine Gruppe Schnabelwale auf Fuerteventura unter diesen Umständen strandeten, unterzogen die Wissenschaftler der Universität von Teneriffa mit amerikanischen und britischen Kollegen die Wale mehreren medizinischen Untersuchungen. Die Ergebnisse gaben endlich Aufschluss: Der Schall der Sonargeräte trifft mit 230 Dezibel in Niedrig- oder Mittelfrequenz auf die Tiere, und setzt deren eigenes Biosonar völlig außer Kraft: Sie verlieren die Orientierung. In Panik versuchen sie so schnell wie möglich an die Wasseroberfläche zu fliehen – ohne mit ihrem angeborenen Instinkt auf den Druckausgleich zu achten. Durch das schnelle Auftauchen lösen sich Gase aus dem Blut und bringen Leber, Herz und Gehirn zum explodieren: die auch bei Tauchern bekannte Dekompressions-Krankheit.
Seit Oktober 2004 fordert daher das EU-Parlament mit Unterstützung des IFWA, der NRDC und einer breiten Mehrheit seine Mitgliedstaaten auf, so lange ein Sonar-Verbot einzuhalten, bis die negativen Auswirkungen auf die Meeresbewohner geklärt sind. Im Juli 2005 beschloss auch die Sitzung der Vereinten Nationen für Ozeane und Seerecht, nach einer abschließenden Untersuchung eine einheitliche Regelung zur Einschränkung des Unterwasserlärms zu finden.