Quallen sind wahre Überlebenskünstler. Um lange Hungerperioden zu überstehen, können sie ihr Körpergewicht um bis zu 99 Prozent reduzieren und im Notfall sogar ihre eigenen Geschlechtsorgane verspeisen. Selbst im sauerstoffarmen Wasser überleben die Tiere bis zu zwei Stunden, da sich im Gel ihres Körpers luftgefüllte Hohlräume befinden, aus denen bei Bedarf Reserven des lebenswichtigen Gases extrahiert werden. Und als wäre dies alles noch nicht genug, fanden Wissenschaftler kürzlich heraus, dass manche Quallen praktisch unsterblich sind.
Der Alterungsprozess wird umgekehrt
Doch kann ein Lebewesen wirklich ewig leben? Was lange Zeit als unmöglich galt, scheint bei der Mittelmeerqualle Turritopsos nutricula zum Alltag zu gehören. Denn wie der Meeresbiologe Ferdinand Boero von der Universität Lecce feststellte, hat diese Art einen bislang einzigartigen Weg gefunden, um ihrem natürlichen Ende zu entgehen.
Denn sobald die Qualle in die Jahre kommt und die Zellen ihre Aufgaben nicht mehr optimal erfüllen, führt sie eine Verjüngungskur durch. Dafür sinkt sie zu Boden und regeneriert sich dort. Die Zellen verlieren ihre bislang ausgeübte Funktion, zum Beispiel als Nerven- oder Nesselzellen, und werden in ihr Ausgangsstadium, in undifferenzierte Stammzellen zurückgeführt. Wie in ihrer frühsten Kindheit besteht die Qualle daraufhin wieder aus lauter multipotenten Einheiten, die sich neu spezialisieren können.
Wenn alles ideal läuft, die Qualle also weder gefressen noch an Land gespült wird, kann sie nach heutigen Erkenntnissen ewig leben. Seit dies entdeckt wurde, forschen Wissenschaftler daran, wie die Qualle den Alterungsprozess umkehren kann. Bisher ohne durchschlagenden Erfolg.
Quallengene für den Menschen?
Thomas Holstein, Professor an der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität, versucht einem ähnlichen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Der Molekularbiologe hat dazu Polypen untersucht, eine frühe Entwicklungsstufe der Quallen, aus der sich die frei schwebenden Medusen entwickeln. Dabei stellte er fest, dass die Winzlinge sich so gut regenerieren, dass sie ebenfalls als unsterblich gelten. Nachdem der Forscher eines der Lebewesen unter dem Mikroskop in Stücke schnitt, entwickelten sich aus den einzelnen Teilen schon bald neue Polypen.
Gelingt es den Forschern diesen komplexen Vorgang irgendwann zu entschlüsseln, böte sich vielleicht eine Chance die Humanmedizin zu revolutionieren. Denn vielleicht ist es möglich, die Regenerationsgene der Tiere auch beim Menschen zu nutzen, um erneuernde Prozesse im Körper einzuleiten. „Wir erwarten nicht, dass wir hier die Finger zur Regeneration bringen können, aber ein ganz wichtiges Beispiel ist das Nervensystem, zum Beispiel bei der Alzheimer Erkrankung“ erläutert der Wissenschaftler. Von einem Elixier für das ewige Leben, das aus Quallen gewonnen wird, kann aber keine Rede sein. Selbst wenn die Wissenschaftler den genetischen Code knacken, wäre eine Übertragung dieses Prinzips auf den Menschen wohl undenkbar.
MSC
Stand: 15.06.2007