Blühende Unterwasserlandschaften im Bikini-Atoll, bunte, exotische Korallenriffe, in dem sich von Schnecken über Fische bis Schildkröten alles tummelt, was dazu gehört? Niemals, würde wohl jeder antworten, der über das atomare „Höllenfeuer“ zwischen 1946 und 1958 informiert ist.
Doch weit gefehlt. Mehr als 50 Jahre nach dem letzten Kernwaffenexperiment scheint die Natur ganze Arbeit geleistet zu haben. Das zumindest ist das Fazit einer im April 2008 im „Marine Pollution Bulletin“ erschienenen Studie, die ein internationales Forscherteam im Bikini-Atoll durchgeführt hat.
Blühende Korallenriffe
Denn die australischen, deutschen, italienischen und hawaiianischen Wissenschaftler entdeckten zusammen mit einheimischen Kollegen bei ihrer Tauchexpedition eine erstaunliche biologische Vielfalt im Meer. Und vor allem: ein florierendes Korallenleben. So waren einige Teile der Lagune bereits wieder zu 80 Prozent von diesen Nesseltieren besiedelt. Es gab sogar ungewöhnliche baumähnlich-verzweigte Korallenformationen mit bis zu 30 Zentimeter dicken „Stämmen“.
„Es war faszinierend. Ich habe außerhalb der Marshall-Inseln niemals Korallen gesehen, die wie Bäume wachsen“, sagt Zoe Richards vom ARC Centre of Excellence for Coral Reef Studies der James Cook Universität in Queensland. „Der gute Gesundheitszustand der Korallen im Bikini-Atoll ist ein Beweis für ihre Belastbarkeit und ihre Fähigkeit nach massiven Störungen rasch wieder auf die Beine zu kommen – zumindest wenn das Riff ungestört bleibt und es in der Nähe gesunde Riffe gibt, die als Ausgangspunkt für die Erholung dienen können.“
Rongelap-Atoll als Quelle der Wiederbesiedlung
Und genau das ist in der Bikini-Region der Fall. Denn nicht mal 200 Kilometer entfernt befindet sich das von den Wissenschaftlern ebenfalls untersuchte Rongelap-Atoll. Es war nicht direkt von den Atomwaffentests betroffen und verfügt deshalb über unberührte Korallenriffe.
Die Wissenschaftler um Richards vermuten nun, dass das Rongelap-Atoll möglicherweise entscheidend zur Rückkehr des Lebens im Bikini-Atoll beigetragen haben könnte. Einige Indizien sprechen für diese Theorie. So liegt Rongelap geographisch günstig stromaufwärts des Bikini-Atolls. Das zweitgrößte Atoll der Welt verfügt zudem über eine große Artenvielfalt bei den Korallen und eine enorme Menge an Biomasse.
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten daher durchaus Organismen beispielsweise mit der Meeresströmung von Rongelap nach Bikini gelangt sein und dort den Anstoß für die Renaissance der Korallen gegeben haben.
Unterwasserlaboratorium der Natur
Zur schnellen Genesung beigetragen hat vermutlich aber auch der fehlende Einfluss des Menschen im Bikini-Atoll nach dem Ende der Kernwaffentests. Es ist deshalb nach Ansicht der Forscher zu einem unschätzbaren Unterwasserlaboratorium der Natur geworden. Dort können sie live und vor Ort beobachten, wie sich Korallenriffe ohne menschengemachten Stress selbst von unglaublichen Umwälzungen wieder erholen.
Wichtige Indizien dafür haben Richards & Co. in der „Höhle des Löwen“ gefunden, in dem zwei Kilometer breiten und 73 Meter tiefen Krater, den die Wasserstoffbombe Bravo 1954 in das Bikini-Atoll gerissen hat. Dazu Richards: „Ich wusste nicht, was ich erwarten sollte – vielleicht eine Art Mondlandschaft. Aber es war unglaublich. Riesige bis zu acht Meter hohe Korallenstöcke der Gattung Porites hatten sich dort etabliert und so einen florierenden Rifflebensraum geschaffen.“
Stand: 16.01.2009