Wie entscheidend epigenetische Mechanismen für die Ausprägung genetischer Informationen tatsächlich sind, zeigte sich im Jahr 2003. Ein Experiment mit Agouti-Mäusen erregte damals weltweit Aufsehen. Denn es brachte eine wichtige Erkenntnis: Auch epigenetische Veränderungen sind vererbbar. Agouti-Mäuse sind dick und gelb und neigen zu Diabetes und Krebs. Verantwortlich dafür ist das so genannte Agouti-Gen. Randy Jirtle und Robert Waterland von der Duke University in Durham setzten in ihrer Studie Weibchen dieser Mäuseart zwei Wochen vor der Paarung und während der Schwangerschaft auf Diät. Sie bekamen vor allem Vitamin B12, Folsäure und Cholin, einen Alkohol und ein Acetyl enthaltendes Nahrungsergänzungsmittel.
Spezialdiät der Mütter- schlanke Kinder
Normalerweise sind auch die Nachkommen der Agouti-Mäuse aufgrund des Agouti-Gens dick und neigen zu Krankheiten. Doch bei der Mehrheit der Mäusekinder aus dem Experiment war das anders. Sie waren eher klein, schlank und braun, und besaßen weder eine Veranlagung für Krebs noch für Diabetes.
Fazit der Forscher: So erstaunlich es ist, offenbar hat die Ernährung der Mutter einen Einfluss auf das Erscheinungsbild der Nachkommen. Aber wie? Jirtle und Waterland gelingt es nachzuweisen, dass die Fütterung mit der speziellen Nahrung der Grund für den veränderten Phänotyp ist. Die Mäuse-Diät enthielt Nährstoffe mit besonders vielen Methylgruppen. Diese dockten offensichtlich an den Histonschwänzen des Chromatins im Bereich des Agouti-Gens an und schalteten es so stumm. Die Mäuse der zweiten Generation sind nun bereits mit stumm geschaltetem Gen geboren und sehen deshalb anders aus als ihre Eltern.
Gelée Royale macht Bienenkinder zur Königin
Ein weiteres Experiment im Jahr 2008 stützt die Befunde der beiden Forscher. Den Wissenschaftlern um Ryszard Maleszka von der Australian National University gelingt es nachzuweisen, dass Honigbienen-Larven genau dann zur Königin werden, wenn sie mit Gelée Royale gefüttert werden. Diese Spezialnahrung erhalten jeweils nur einige wenige Bienenkinder. Zwar können die Forscher nicht sagen, warum die Bienen eine bestimmte Larve aussuchen, um sie später zu krönen. Doch durch das besondere Futter lebt die Bienenkönigin später fast drei Jahre lang, während normale Arbeitsbienen nicht viel älter als einen Monat werden. Außerdem bildet sie im Gegensatz zu Arbeiterinnen Geschlechtsorgane aus, um sich schließlich als einzige fortzupflanzen.