In der Auseinandersetzung mit der Frage, wer der Wissenschaft Grenzen setzen soll, mehren sich die Stimmen, die eine Art Hippokratischen Eid für alle Forscher fordern. Nach dem Vorbild der Mediziner sollen auch Biologen, Gentechniker oder Ingenieure durch eine solche öffentliche Selbstverpflichtung an moralisches Handeln gebunden werden.
Unterstützt wird diese Idee unter anderem von der Unesco, von zahlreichen Vertretern von Forschungsinstituten, Wissenschaftsverbänden und Ethikkomitees, darunter auch Joseph Rotblat, der 1995 für seine Verdienste um Wissenschaftsethik und Frieden den Friedensnobelpreis erhielt. Bei der Preisverleihung schlug er vor: „Die Zeit ist gekommen, um Richtlinien für das ethische Verhalten von Wissenschaftlern zu formulieren, vielleicht in der Form eines freiwilligen Hippokratischen Eides.“
Die Meinungen darüber, wie ein solcher Eid auszusehen hat, gehen allerdings weit auseinander. Während einige einen allgemeinen, für alle wissenschaftlichen Disziplinen gültigen Eid favorisieren, befürchten andere, dass ein solcher übergreifender Schwur entweder zu restriktiv oder zu lasch ausfallen könnte. Zu den Befürwortern eines allgemeinen Eides gehört auch Peter Reineker, ein Physiker der Universität Ulm.
Auf einer Konferenz der „American Association for the Advancement of Science“ (AAAS) stellte er den Entwurf der Europäischen Physikalischen Gesellschaft für eine solche Selbstverpflichtung vor: „Erstens: In meiner gesamten wissenschaftlichen Arbeit will ich ehrlich sein und nichts tun, dass meiner Ansicht nach offensichtlich dem Wohl der Menschheit schadet. Zweitens: Wenn ich später feststelle, dass meine Ergebnisse zum Schaden der Menschheit eingesetzt werden, will ich versuchen, diese Entwicklungen zu verhindern.“