Besonders fatal wirkt sich Stress ausgerechnet bei denjenigen aus, die sich am wenigsten dagegen wehren können: den Kindern. Schon im Mutterleib bekommen sie von den Botenstoffen, die durch den Körper der Mutter fluten, einiges mit. Hat die Mutter Sorgen und Stress, wird auch das sensible System der Ungeborenen mit Cortisol und anderen Stresshormonen überschwemmt – und dies ausrechnet in einer Zeit, in der sich das kindliche Gehirn beginnt zu entwickeln.
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Hormoncocktail über die Plazenta
Bereits 2011 entdeckten Forscher erste Hinweise auf solche pränatalen Einflüsse: In einer Studie an 75.000 schwangeren Frauen in Dänemark zeigte sich, dass die Plazenta bei Müttern, die während der Schwangerschaft Stress ausgesetzt waren, stärker wuchs als bei ungestressten Schwangeren. Mit anderen Worten: Die entscheidende Schaltstelle zwischen kindlichem und mütterlichem Organismus ist bei gestressten Müttern verändert. Da das Kind sämtliche Nährstoffe, Blut und Botenstoffe über die Plazenta bekommt, lag damit nahe, dass Stress auch sie Versorgung des Kindes beeinflusst.
Wenig später wies eine andere Forschergruppe nach, dass eine Depression der Mutter während der Schwangerschaft die spätere Sprachentwicklung ihres Kindes verzögert. Waren die Ungeborenen im Mutterleib dem für die Depression typischen Hormoncocktail ausgesetzt, reagierten sie im Durchschnitt erst vier Monate später auf typische Laute ihrer Muttersprache als Gleichaltrige. Dieser Effekt trat aber nicht auf, wenn die Mütter Medikamente gegen ihre Depression eingenommen hatten. Diese sogenannten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer bremsen den Abbau des stimmungsaufhellend wirkenden Hormons Serotonin und lindern so die Symptome der Depression. Dieser Effekt scheint auch bei dem Ungeborenen Spuren zu hinterlassen.