In der Kosmologie wird der Begriff Vakuum heute durch „den räumlich gemittelten Zustand des Universums zu einer bestimmten Zeit“ ersetzt. Dies gilt mit etwas zeitlichem Abstand auch für den Urknall. Das Universum dehnt sich aus und kühlt ab – sein Zustand ändert sich also mit der Zeit.
Physiker können nun aufgrund der im Labor beobachtbaren Gesetze darauf schließen, in welchem Zustand das Universum bei den hohen Temperaturen war, die einige Sekunden oder Minuten nach dem Urknall geherrscht haben. Daraus lässt sich errechnen, wie die ersten Atomkerne im Universum gebildet wurden. Diese Berechnungen wurden zwischenzeitlich durch verschiedene Beobachtungen eindrucksvoll bestätigt.
Die Kosmologen vertrauen deshalb darauf, die grundlegenden Aspekte der Naturgesetze gut genug zu kennen, um sich an Aussagen über den Zustand des Universums in der Nähe des Urknalls heranzuwagen. Sie haben beispielsweise den sogenannten Higgs-Mechanismus verstanden, eine wichtige Eigenschaft des Vakuums, die die Gesetze der schwachen Wechselwirkung und der Masse der Elektronen oder Quarks bestimmt.
Naturgesetze waren nicht immer gleich
Das macht es möglich, folgende Aussage mit recht großer Sicherheit zu treffen: Die Gesetze für Elektromagnetismus und schwache Wechselwirkung waren in der Zeitspanne vom Urknall bis zum „elektroschwachen Phasenübergang“ – ungefähr ein Millionstel einer Millionstel Sekunde nach dem Urknall – recht verschieden von den späteren Gesetzen. In der Frühphase des Universums war die schwache Wechselwirkung ebenso stark wie die elektromagnetische, und keines der heute bekannten Elementarteilchen hatte eine Masse.
Aus Sicht der modernen Kosmologie hängen nicht nur die Naturgesetze von den veränderlichen Eigenschaften des Vakuums ab. Auch die Übertragung von Energie aus dem Vakuum auf die Elementarteilchen oder das Erzeugen von Energie aus dem Vakuum spielen eine wichtige Rolle.
Die heutige Sicht lässt sich so zusammenfassen: Zwischen Vakuum und Materie besteht kein grundlegender Unterschied. Es lässt sich daher ein verallgemeinerter Materiebegriff verwenden, der das Vakuum mit einschließt. Diese einheitliche Sicht auf Vakuum und Elementarteilchen ist für die Frage nach dem Anfang des Universums von großer Bedeutung.
Christoph Wetterich, Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg / Ruperto Carola
Stand: 07.06.2013