Und was gefährdet den Nerz heute? „Die größte Gefahr“, sagt Nerzforscher Tiit Maran, „sind Füchse und verwilderte Hunde.“ Die größte Bedrohung für den Wildnerz ist langfristig aber der Mink. Der Vetter aus Amerika wurde um 1920 als Pelzlieferant nach Europa verschifft und auf Farmen gezüchtet. Erst entkamen einzelne Tiere. In den 1980er Jahren beschleunigten militante Aktivisten den Lauf des Unheils, indem sie Farmnerze aus ihren Käfigen befreiten.
Einzeltiere wichtiger als Artenschutz?
An Artenschutz ist den in Fragen der Ökologie unbedarften Pelzgegnern nicht gelegen. „Eine Art verspürt keinen Schmerz, Individuen sehr wohl“, hieß es in einem Bekennerschreiben der „Animal Liberation Front“, nachdem die selbsternannten Tierfreunde 2007 im Jerichower Land in Sachsen-Anhalt 10.000 Minks der Pelztierfarm Bärwinkel die „Freiheit geschenkt“ hatten. Am Steinhuder Meer droht dieses Szenario nicht: In der Region gibt es keine Nerzfarmen.
Acht Nerzfarmen gibt es nach Angaben des Deutschen Tierschutzbundes noch in Deutschland, die beiden größten in Mecklenburg-Vorpommern. Jährliche Pelzproduktion bundesweit: etwa 100.000 Nerze. Zentrum der europäischen Nerzzucht ist aber Dänemark. Laut Tierschutzbund werden dort auf 1.665 Nerzfarmen jährlich 17 Millionen Minks getötet – mit Gas, Strom oder Knüppeln. Natur- und Artenschützer, die das Schlachten von Minks für Modezwecke genauso widerlich finden wie die Käfigzerstörer, halten von den Befreiungsaktionen jedoch gar nichts.
Kahlfraß nach Befreiung
Weil sich Nerze Nahrungsvorräte anlegen, können die Massenfreilassungen von Minks für Bestände an Amphibien und Reptilien den Garaus bedeuten. Nachdem Tierbefreier 2010 aus der Nerzfarm Frankenförde südlich von Potsdam 4.000 Minks hatten entweichen lassen, fanden Geflügelhalter in der Nachbarschaft Tage später reihenweise tote Hühner und Enten in ihren Ställen und Gärten – Vorratstötungen hungriger Minks. Zur gleichen Zeit rühmten sich die Tierrechtler, 18.000 US-Nerze in Schweden freigesetzt zu haben.
Minks sind fähig, in einer Nacht bis zu hundert Vögel zu töten. Wo sie als invasive Art neu auftauchen, können sie Vogelbestände arg dezimieren. Nachgewiesen wurde das zum Beispiel für die Brut von Lachmöwen und Blässhühnern. Europaweit breitet sich die Art immer weiter aus, die Mink-Populationen wachsen zusammen. Allein mit Jagd ist der invasiven Art nicht beizukommen. Zu anpassungsfähig ist der Mink, dem jede Art von Gewässer genügt.
Chance nur bei Abwesenheit des US-Nerzes
Anders als der Europäische Nerz ist er nicht auf wenige Beutetierarten spezialisiert, sondern nimmt, was er kriegt, und pflanzt sich noch munterer fort als sein europäischer Vetter. Christian Seebass von EuroNerz hat Hinweise, „dass der Mink als eingeschleppte und größere Art mit sehr ähnlichen Lebensraumansprüchen den Nerz aus seinen Lebensräumen verdrängt“. Wiederansiedlungen des Euro-Nerzes seien darum nur da sinnvoll, wo der Mink nicht vorkommt. In Weißrussland ging das Verschwinden des Wildnerzes einher mit der Ankunft des Minks.
Längst ist neben dem schmalen Gen-Pool des Euro-Nerzes, der Forschungsstudien zufolge noch zum Problem werden kann, die Paarung zwischen Wildnerz und Mink der nächste Fluch. Bekannt ist, dass Minkmännchen sich mit Weibchen des Europäischen Nerzes paaren. Nach der Befruchtung stirbt der Embryo ab. Das Weibchen fällt aus dem Vermehrungszyklus heraus, der Wildnerz-Bestand wird gemindert. Bei einem weiteren Mink-Verwandten, dem Waldiltis, kam es noch schlimmer. Von beiden Arten gibt es bereits Bastarde.
Kai Althoetmar
Stand: 30.01.2015