Auch wenn in unserem Universum heute die Materie über die Antimaterie dominiert: Die Teilchen der „Gegenwelt“ begegnen uns häufiger, als man denkt. Denn sie entstehen ständig aufs Neue um uns herum: In der Atmosphäre, im Erdinneren – und sogar in unserem Körper. Zwar löschen sich diese Antimaterie-Teilchen fast sofort wieder aus, weil sie mit Materie in Kontakt kommen. Aber es gibt sie – und sie sind überall.
Aus dem All
Ein Teil der Antimaterie in unserer Umwelt regnet buchstäblich auf uns herab. Denn sie stammt aus der kosmischen Strahlung, die aus dem Weltraum ständig auf die Erde trifft. Dieses größtenteils bei Supernova-Explosionen entstehende Gemisch aus energiereichen Teilchen enthält neben der normalen Materie und Strahlung auch einen kleinen Anteil von etwa einem Prozent Antimaterie.
Gemessen hat dies das Alpha Magnetic Spectrometer (AMS), ein Sensor, der an der Raumstation ISS sitzt. Er registrierte in den ersten eineinhalb Jahren seiner Laufzeit immerhin 6,8 Millionen Einschläge von Elektronen und ihren Antimaterie-Gegenparts, den Positronen. Schätzungen nach treffen auf jedem Quadratmeter der Atmosphären-Oberseite der Erde zwischen einem und 100 dieser Antiteilchen auf. Allerdings: Dort ist dann für sie meist Schluss. Denn sobald die Positronen mit den Gasteilchen der Atmosphäre kollidieren, werden sie ausgelöscht. Bei uns am Erdboden kommen daher von diesen Positronen kaum noch welche an.
Aus der Erde
Schon mehr Kontakt haben wir mit der Antimaterie, die in der Erde und in unserer irdischen Umwelt bei bestimmten Formen des radioaktiven Zerfalls entsteht. Eine der Quellen dafür ist das Element Kalium. Rund 0,012 Prozent des auf der Erde vorkommenden Kaliums liegt als radioaktives Isotop Kalium-40 vor. In der Erdkruste sind dies immerhin rund 2,5 Milligramm pro Kilogramm Gestein. Und im Erdmantel ist der Zerfall dieses Kaliums immerhin die drittgrößte Quelle radioaktiver Hitze.
In Bezug auf Antimaterie sorgt das Kalium-40 gleich auf zweierlei Weise für stetigen Nachschub. Ein kleiner Teil des Kalium-40 zerfällt im Betazerfall zu einem Neutrino und einem Positron – dem Antiteilchen des Elektrons. Der größte Teil jedoch zerfällt im sogenannten Beta-Minus-Zerfall zu einem Elektron und einem Antineutrino – dem Antiteilchen des Neutrinos. Wie groß die Menge dieser Antiteilchen ist, zeigte erst vor kurzem die erste Antineutrino-Karte der Erde. In ihr glüht unser Planet förmlich von der Menge der Antineutrinos, die er aussendet.
Und sogar in uns selbst
Und nicht nur das: Über Wasser, Luft und Boden nehmen Pflanzen, Tiere und auch wir Menschen ständig Kalium-40 auf. Deshalb kommt dieses Isotop auch in allen lebenden Wesen vor – und gibt dort Antiteilchen ab. So produziert beispielsweise eine Banane immerhin rund ein Positron alle 75 Minuten.
In unserem eigenen Körper zerfällt das Kalium-40 mit einer Rate von knapp 5.000 Ereignissen pro Sekunde. Zwar wird ein Großteil der dabei produzierten Antiteilchen sofort wieder ausgelöscht. Aber einige schaffen es, bis nach draußen vorzudringen. Unser Körper gibt daher immerhin rund 180 Positronen pro Stunde ab – von uns völlig unbemerkt.
Nadja Podbregar
Stand: 06.11.2015