Lebensräume

Giftblüte und Meeresleuchten

Dinoflagellaten sind die zweithäufigsten Einzeller im Eis

Giftige, begeißelte Einzeller, die teilweise leuchten können, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle als Bewohner des Meereises. Die Dinoflagellaten, die auch Geißelalgen oder Panzergeißler genannt werden, sind den Eis-Diatomeen zwar zahlenmäßig weit unterlegen, besiedeln den kalten Lebensraum aber immerhin mit einer Dichte von bis zu einigen Millionen Zellen pro Liter geschmolzenes Meereis.

Dinoflagellat Ceratium hirundinella © Klaus Henkel, Mikrobiologische Vereinigung München

Viele Arten der Dinoflagellaten besitzen einen teilweise bizarr strukturierten Panzer. Im Gegensatz zu den Diatomeen enthält er jedoch keine Kieselsäure, sondern besteht hauptsächlich aus Cellulose. Das ist auch der Grund, warum sich die Schalen der Geißelalgen nicht im Sediment anreichern, denn das organische Material zersetzt sich ziemlich schnell. Zur Fortbewegung dienen den Dinoflagellaten zwei lange Geißeln, von denen eine für die Vorwärtsbewegung zuständig ist und die andere die Zelle um die eigene Achse rotieren lässt. Diese Geißeln helfen ihnen auch, im freien Wasser ihre Position zu halten und nicht abzusinken.

Verschlechtern sich die Umweltbedingungen, sind viele Dinoflagellaten in der Lage, sich in Cysten einzuschließen. Das sind kapselartige Dauerstadien, die von vielen niederen Tieren gebildet werden können. Derart vor widrigen Bedingungen geschützt, können sie überdauern und bleiben so lange Zeit erhalten.

Wie bei den Kieselalgen gibt es auch unter den Dinoflagellaten viele Arten, die Photosynthese betreiben und als Pflanzen gelten. Sie können jedoch nicht als Primärproduzenten bezeichnet werden, da sie bestimmte Vitamine nicht selber herstellen können und daher für ihr Wachstum eine Vitaminzufuhr benötigen. Manche können jedoch ihre Nährstoffe nicht selber herstellen und sind deshalb auf andere Organismen als Nahrung angewiesen. Einige sind sogar Parasiten, die an Diatomeen und anderen Eisbewohnern schmarotzen. Die Dinoflagellaten können also nicht eindeutig dem Pflanzen- oder Tierreich zugeordnet werden, manche können sogar zwischen den beiden Ernährungsweisen umschalten.

In kalten Gewässern wie den Polarmeeren kommen nur relativ wenige verschiedene Arten vor, diese aber in hoher Individuenzahl. Das unterscheidet sie von ihren Verwandten in warmen Meeren, wo eine viel größere Artenvielfalt herrscht. Immmer wieder kommt es dort in regelmäßigen Intervallen zu einer explosionsartigen Massenvermehrung der Panzergeißler. Dann bevölkern sie das Meer in solchen Mengen, dass das Wasser durch die große Menge an Carotinoiden, die sie als Pigmente bilden, orange bis rot gefärbt wird. Diese Erscheinung wurde bereits in der Bibel als eine der sieben Plagen beschrieben und ist als „Rote Tide“ bekannt. Sie wurde bereits an vielen Küsten beobachtet.

Berühmt-berüchtigt sind die Dinoflagellaten durch ihre Giftstoffe, die sie während der Algenblüte produzieren und die immer wieder zu Vergiftungen führen. Dabei sind diese Gifte von Art zu Art unterschiedlich wirksam. Fische, die Kleintiere fressen, die sich wiederum von Dinoflagellaten ernähren, sind gegen diese Toxine unempfindlich und reichern das Gift an, ohne selber Schaden zu nehmen. Der Mensch, der am Ende der Nahrungskette steht und sehr empfindlich auf die Giftstoffe reagiert, zeigt dann beim Verzehr dieser Fische oder auch Muscheln schwere Vergiftungserscheinungen. Das bestuntersuchte Toxin ist das Saxitoxin. Es wird von einer bestimmten Dinoflagellatenart produziert und wirkt beim Menschen als schweres Nervengift.

Eine weitere bekannte Eigenart der Dinoflagellaten ist ihre Fähigkeit zu leuchten. Dieser Vorgang wird als Biolumineszenz bezeichnet. Die Organismen können mit einem bestimmten Enzym, der Luciferase, ein organisches Molekül namens Luciferin spalten, wobei es im Laufe der Reaktion zur Abgabe von Licht kommt. Vor allem Noctiluca-Arten sind hierfür bekannt. Auf diese Weise kommt das berühmte Meeresleuchten zustande, bei dem Millionen von einzelnen Zellen kurze Lichtblitze aussenden. Das Leuchten unterliegt einem ausgeprägten Rhythmus und tritt nur nachts auf. Die einzelnen Zellen arbeiten dabei bemerkenswert synchron zusammen.

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Stand: 27.12.2000

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Inhalt des Dossiers

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