„Das ist fundamental für die Physiologie der Vögel“, erklärt Devon Quick, Zoologe der Oregon State Universität. „Es ist wirklich seltsam, dass das bisher niemandem aufgefallen ist. Die Position der Schenkelknochen und Muskeln in den Vögeln ist entscheidend für ihre Lungenfunktion und erst diese gibt ihnen ausreichen Lungenkapazität für den Flug.“
Vögel keine Nachfahren der Dinos?
Brisant wird das Ganze, weil die Forscher aus dieser Erkenntnis schließen, dass die Vögel sich nicht aus theropoden Dinosauriern wie dem Tyrannosaurus oder den Raptoren entwickelt haben können. Damit allerdings greifen sie eines der etabliertesten Dogmen der Paläontologie an. Ihrer Ansicht nach weisen die jüngsten Ergebnisse eher auf eine separate Evolution hin, im Zuge der die Vogelvorfahren ihre typischen Charakteristika wie Federn, Flügel, Lungen und Lokomotion entwickelten.
„Einem Velociraptor sind nicht einfach zu einem Zeitpunkt Federn gewachsen und dann hob er ab und flog in den Sonnenuntergang“, so Ruben. „Eine der Hauptgründe, warum Wissenschaftler immer wieder Vögel als Nachfahren der Dinosaurier einordneten waren Ähnlichkeiten in ihren Lungen. Aber theropode Dinos besaßen einen beweglichen Femur und konnten daher gar keine Lunge besitzen, die so wie die der Vögel arbeitete. Ihr Abdominalsack, wenn sie denn einen hatten, wäre kollabiert.
Damit wird einer der kritischen Stützen des Dinosaurier-Vogel-Links der Boden entzogen. Die Forscher zitieren zudem als weiteres Argument, dass es Funde von fossilen Vögeln gibt, die älter sind als die Dinosaurier, von denen sie eigentlich abstammen sollen. „Das ist ein ziemlich großes Problem“, so Ruben. „Und es gibt noch andere Inkonsistenzen in den Vogel-Dino-Theorien.“
Thecodont als gemeinsamer Vorfahre?
Dennoch bestreiten die Wissenschaftler keineswegs, dass es deutliche Ähnlichkeiten zwischen Vögeln und Dinosauriern gibt und halten es durchaus für Wahrscheinlich, dass beide einen gemeinsamen Vorfahren teilen. So könnten sich die Thecodonten, kleine Reptilien die Millionen Jahre vor den Dinosauriern lebten, sich parallel sowohl in Dinosauriers als auch in Krokodile und Vögel entwickelt haben.
„Wir behaupten nicht, dass Dinosaurier und Vögel nicht einen gemeinsamen Vorfahren irgendwann in der Vergangenheit hatten“, so Quick. „Das ist gut möglich und in der Evolution die Regel. Es scheint aber jetzt klar, dass die Vögel sich die ganze Zeit bereits auf ihrem eigenen Weg entwickelten und nicht direkt von den theropoden Dinosauriern abstammen, die Millionen Jahre später lebten.“
Kontroverse vorprogrammiert
Dass diese neue Sichtweise sehr umstritten ist und für Kontroversen sorgen wird, dessen sind sich die Forscher durchaus bewusst. Sie kontern aber mit dem Hinweis darauf, dass alte Theorien immer dann besonders schwer aufgegeben werden, wenn sie einige der auffallendsten und am meisten romantisch verklärten Arten der Erdgeschichte beinhalten.
„In einigen Museen wird die Vogel-aus Dino-Theorie als Fakt dargestellt, mit höchstens einem kleinen Sternchen und dem mikroskopisch kleinen Hinweis, dass einige Forscher anderer Meinung sind“, so Ruben. „Jetzt nehmen die Sternchen zu. Das ist Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses.“ Wie tragfähig aber die neue Theorie der beiden Forscher ist, wird sich noch zeigen müssen.
(Oregon State University, 10.06.2009 – NPO)
10. Juni 2009