Geowissen

Schon Ötzis Zeitgenossen besiedelten den Himalaya

Forscher entdeckten Spuren der ersten Menschen auf dem Dach der Welt

Blick von rund 4.500 Meter Seehöhe über einen bhutanesischen Gletscher Richtung Norden zu den bhutanesisch-tibetischen Grenzbergen, die eine Höhe von 6.500 bis 7.500 Meter erreichen. © Michael Meyer

Forscher haben die bisher ältesten Spuren von menschlicher Besiedlung im Osten des Himalayas entdeckt. Im Norden des Königreichs Bhutan konnten sie mit Hilfe von Sedimentanalysen, Pollenbestimmungen sowie Radiocarbon- und Lumineszenzdatierungen zeigen, dass die Hochtäler des Himalayas schon in der ausgehenden Jungsteinzeit, also zu Ötzis Zeiten, besiedelt wurden.

Wilde Gletscherzungen, vereiste Karwände und Moränenwälle dominieren das Landschaftsbild auf dem Dach der Welt. „Wann und warum Menschen diese spektakuläre, aber schwer zugängliche Gletscherlandschaft besiedelten, lag bis vor kurzem noch im Dunklen“, sagt der Geologe Michael Meyer von der Universität Innsbruck, der vor einigen Jahren gemeinsam mit einem Team um Professor Hermann Häusler von der Universität Wien Untersuchungen in den Hochtälern im Nordwesten Bhutans durchgeführt hat.

Eines der extremsten Ökosysteme der Erde

„Fest stand bisher nur, dass der Hohe Himalaya sowie das im Norden angrenzende Tibetische Plateau zu den extremsten Ökosystemen der Erde zählen und daher erst viel später als das umliegende Tiefland menschlichem Einfluss unterlagen“, so Meyer weiter.

Das Königreich Bhutan im Ost-Himalaya ist bekannt für seine einsamen und schwer erreichbaren Hochtäler. Nur wenige Forscher drangen bis heute in diese Regionen vor. Die Studie der österreichischen Wissenschaftler, über die die Fachzeitschrift „Quaternary Science Reviews“ berichtet, erbrachte nun den ältesten Nachweis menschlicher Aktivität im Ost-Himalaya. Nach den Ergebnissen der Forscher wurde dieser Gebirgsteil vermutlich bereits vor 6.700 Jahren von Menschen der Jungsteinzeit erkundet, spätestens aber seit rund 4.700 Jahren permanent besiedelt. „Etwa im gleichen Zeitraum, vor 5.300 Jahren, trieben sich Ötzi und seine Verfolger in den hochalpinen Lagen der Alpen herum, ohne jedoch dauerhaft in dieser Höhe zu wohnen“, erzählt Meyer.

Thanza, die höchste Dauersiedlung in Nordwesten von Bhutan, die auf 4.100 bis 4.300 Meter Seehöhe gelegen ist. © Michael Meyer

Schwankungen in der Intensität des Monsuns

Obwohl idyllisch anmutend lädt der Ost-Himalaya mit einer Durchschnittstemperatur von nur knapp über 0°C, wenig Raum für Ackerbau und immer wiederkehrenden Gletscherseeausbrüchen nicht zur dauerhaften Besiedlung ein. Nichtsdestotrotz befinden sich auch heute noch permanent bewohnte Dörfer und bewirtschaftete Gerstenfelder bis auf eine Höhe von 4.300 Metern.

Die Ergebnisse der österreichischen Forscher legen nahe, dass die Vorfahren dieser vom Wetter abgehärteten Hochtalbewohner Bhutans tibetische Nomaden waren, die mit ihren Yaks einst die Pässe Richtung Süden überquerten. „Unsere Daten zeigen erstmals, dass es eine enge Verbindung zwischen den Migrationsrouten dieser Yak-Nomaden, der Ausdehnung der Himalaya-Gletscher und den Schwankungen in der Intensität des Monsuns gibt“, sagt Meyer, der über mehrere Jahre in den Hochtälern Bhutans geologisch gearbeitet hat.

Migration wegen des Klimawandels

Die Gletscher in weiten Teilen des Himalayas werden direkt vom indischen Sommermonsun gesteuert: Phasen mit hohen Monsunniederschlägen bedeuten viel Schnee für die Gletscher, die in der Folge vorstoßen und die Talböden ausfüllen. Wird der Monsun schwächer, ziehen sich die Gletscher zurück und geben die Täler frei.

Gleichzeitig wird es in Tibet bei nachlassendem Monsun erheblich trockener, Süßwasserseen versalzen oder trocknen aus. Vermutlich zwang dies die Bewohner des Hochplateaus, neue Lebensräume für sich zu erschließen und erstmals Richtung Süden in den Himalaya vorzustoßen, so die Forscher.

Digitales Höhenmodell des tibetische Hochplateaus und des im Süden angrenzende Himalaya. © Michael Meyer

Besiedlung in der Jungsteinzeit

Vor 4.500 bis 5.000 Jahren wurde der Monsun abrupt schwächer, und in den Hochtälern des Himalayas zogen sich die Gletscher rasch zurück. Die Tibeter trieben ihre Yaks in diese Täler und säten dort die mitgebrachte Hochlandgerste. Den größten Eingriff in das Ökosystem brachten aber Brandrodungen und Schlägerungen.

„Die Nomaden benötigten Weiden für die Yaks sowie Feuerholz zum Heizen und Kochen. Sie verwandelten das ursprünglich mit Rhododendron- und Wacholderbüschen bedeckte Gebiet in die heutige alpine Weidelandschaft“, sagt Christa Hofmann, die mit Hilfe von Pollenanalysen die Besiedlungsgeschichte erforscht hat. Aktuelle Resultate deutscher Forscher aus dem West-Himalaya und dem Süden des Tibetischen Plateaus bestätigen diese Erkenntnisse.

Besiedelungsströme aus China

„Der Einfluss des Menschen auf die hochgelegenen und daher sensiblen Ökosysteme war in all diesen Regionen Hochasiens allem Anschein nach enorm und wir gehen davon aus, dass die Besiedelungsströme ihren Ausgang im angrenzenden China und Zentralasien nahmen“, sagt Meyer.

(Universität Innsbruck, 02.07.2009 – DLO)

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