Astronomie

Kalter Staub als Sternenwiege

Neuartiger Himmelsatlas bietet einzigartigen Blick in die inneren Regionen der Milchstraße

Farbbild eines Teils der galaktischen Ebene in der ATLASGAL-Kartierung. Die Submillimeterdaten des kalten Staubs aus den ATLASGAL-Messungen (870 µm) sind in Rot dargestellt, im Vergleich dazu die etwas wärmeren Staubkomponente aus Infrarot-Messungen mit dem "Midcourse Space Experiment" (MSX) in Grün (14,65/21,3 µm) und in Blau (8,28 µm). Dabei zeigt die kühlere Submillimeterstrahlung Staubbereiche, in denen sich erst neue Sterne bilden (Protostern-Regionen), die wärmere Infrarotstrahlung zeigt eher die Staubhüllen um junge Sterne. Die Größe des gesamten Feldes beträgt 42 mal 1,75 Grad. © ESO

Ein internationales Team von Astronomen hat einen Himmelsatlas erstellt, der einen bisher nicht möglichen Blick in die inneren Regionen unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, ermöglicht. Die neuen Karten zeigen diesen Bereich übersät mit tausenden vorher nicht entdeckten dichten Knoten von kaltem kosmischem Staub, wahrscheinlichen Geburtsorten für neue Sterne.

Der Atlas beruht auf Beobachtungen mit LABOCA, der neuesten und großformatigsten aus einer Serie von am Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn gebauten Bolometer-Kameras, die am „Atacama Pathfinder Experiment“ (APEX), einem Submillimeterteleskop in Chile zum Einsatz kommt. Es ist die bisher umfassendste Kartierung der Verteilung von kaltem Staub in unserer Milchstraße, gemessen bei Wellenlängen unterhalb von einem Millimeter.

Sie bietet nach Angaben der Wissenschaftler in „Astronomy & Astrophysics“ eine unschätzbare Quellenliste für noch detailliertere Beobachtungen mit dem im Bau befindlichen „Atacama Large Millimeter Array“ (ALMA) und mit „Herschel“, dem kürzlich gestarteten Infrarot-Weltraumobservatorium der ESA.

Karte zeigt Strahlung der Milchstraße

Die neue astronomische Kartierung trägt den Namen „APEX Telescope Large Area Survey of the Galaxy“ (ATLASGAL). Sie zeigt Strahlung unserer Milchstraße in Submillimeter-Wellenlängen (dem Bereich zwischen Infrarotstrahlung und Radio-Wellenlängen). Die Bilder des Weltalls in diesem Wellenlängenbereich sind unverzichtbar, um einerseits die Geburtsorte neuer Sterne zu erforschen, andererseits den komplexen Aufbau des Zentralbereichs unserer Milchstraße.

„ATLASGAL ermöglicht uns einen neuen Einblick in unsere Milchstraße. Die Beobachtungen erlauben uns nicht nur, zu erforschen, wie massereiche Sterne entstehen, sie geben uns auch einen Überblick über die großskalige Struktur unserer Milchstraße“, sagt Frederic Schuller vom MPIfR, der Leiter des ATLASGAL-Forschungsteams.

Submillimeterteleskop APEX in der Atacamawüste in Nordchile © APEX Forschungsteam

Mix aus Gas und Staub

Die neue Submillimeter-Kartierung umfasst einen Flächenbereich von circa 95 Quadratgrad am Himmel. Sie verläuft in einem nur zwei Grad breiten Streifen entlang der Ebene unserer Milchstraße (das entspricht dem vierfachen Durchmesser des Vollmonds) über eine Gesamtlänge von mehr als 40 Grad. Die Beobachtungen über eine Länge von 16.000 einzelnen Bildpunkten wurden mit der am MPIfR gebauten Bolometer-Kamera LABOCA im Submillimeterbereich (bei einer Wellenlänge von 0,87 Millimetern) am von der ESO betriebenen APEX-Teleskop durchgeführt. APEX befindet sich in 5.100 Meter Höhe auf dem extrem trockenen Chajnantor-Plateau in den chilenischen Anden, einem für Submillimeter-Astronomie ideal geeigneten Standort.

Das interstellare Medium, also das Material zwischen den Sternen, ist zusammengesetzt aus Gas und Staubkörnern, vielleicht vergleichbar mit feinem Sand oder Ruß. Der Hauptbestandteil des Gases ist Wasserstoff, der als Molekül relativ schwer nachzuweisen ist. Astronomen erforschen daher Regionen dichten interstellaren Gases vorwiegend über die Suche nach der schwachen Temperaturstrahlung kosmischer Staubkörner.

Die Submillimeterstrahlung ermöglicht den Nachweis dieser leuchtenden Staubwolken, die doch den Blick ins Universum durch die Absorption des sichtbaren Lichts verhindern. So werden in den ATLASGAL-Beobachtungen auch die dichteren Zentralregionen unserer Milchstraße in Richtung des Sternbilds Schütze (Sagittarius) sichtbar, die ansonsten durch eine dicke Schicht von Staubwolken verdeckt bleiben.

295-Pixel-Bolometerkamera LABOCA © MPIfR Bonn

Tausende von dichten Staubklumpen

Die neue Karte enthält tausende von dichten Staubklumpen, viele davon erstmalig nachgewiesen, die Geburtsorte für die künftige Entstehung von massereichen Sternen aufzeigen. Diese Staubklumpen umfassen nach Angaben der Forscher typischerweise einige Lichtjahre im Durchmesser, sie haben Massen zwischen zehnmal und einigen tausend mal der Masse unserer Sonne. Das ist hinreichend für die Entstehung massereicher Sterne oder sogar Sternhaufen. Dazu zeigen die ATLASGAL-Daten auch diffuse Strahlung aus dem Bereich zwischen den Staubklumpen, eine Reihe von filamentartigen Strukturen und Blasen im interstellaren Medium, die durch Supernova-Explosionen und die Winde massereicher Sterne erzeugt wurden.

Die Abbildung oben zeigt die Sternentstehungsgebiete, einzelne Wolken oder größere Komplexe, beobachtet mit ATLASGAL in Submillimeter-Wellenlängen, und, im Vergleich dazu, die heißere Komponente von Staubhüllen um weiter entwickelte junge Sterne, beobachtet mit dem „Midcourse Space Experiment“ (MSX) in Infrarot-Wellenlängen.

Sternentstehungskomplex „Katzenklauennebel“

Zu den Highlights der ATLASGAL-Kartierung gehört, so die Forscher, sicherlich der Zentralbereich unserer Milchstraße und dabei speziell die direkt benachbarte Sternentstehungsregion Sagittarius B2 (Sgr B2), eine sehr massereiche und dichte Wolke molekularen Gases, in der eine Reihe von Molekülen erstmalig im Weltraum nachgewiesen werden konnte, weiterhin auch Sternentstehungskomplexe wie NGC 6357 oder NGC 6334, wegen seiner Form auch „Katzenklauennebel“ genannt..

„Jede einzelen Quelle in der ATLASGAL-Kartierung zeigt uns einen Ort, an dem gerade im Moment neue Sterne entstehen“, sagt Professor Karl Menten, vom MPIfR, und Mitglied des ATLASGAL-Forschungsteams. „Wenn wir dann APEX oder Herschel oder in Zukunft auch ALMA auf diese Positionen ausrichten, um die mit dem Staub verbundenen Moleküle zu untersuchen, erhalten wir ein vollständiges Bild des Ablaufs der Sternentstehung in unserer Milchstraße.“

(MPG, 03.07.2009 – DLO)

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