Fossile Brennstoffe wie Erdöl und Erdgas sind im Prinzip nichts anderes als die Relikte einst lebender Organismen, die unter Hitze und Druck in der Erde umgewandelt wurde. Aber könnten solche Kohlenwasserstoffe auch ohne Beteiligung von Lebewesen tief im Erdmantel entstanden sein? Bisher galt dies als umstritten, jetzt haben Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ erstmals Belege dafür veröffentlicht, dass dies möglich ist.
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Schon vor vielen Jahren entwickelten russische Geowissenschaftler die provokante These, dass nicht alle Kohlenwasserstoffe, die sich heute in der Erdkruste befinden, auch dort entstanden sein müssen. Ihre Theorie: Mindestens ein Teil könnte seinen Ursprung weitaus tiefer, im Erdmantel, haben und dort nicht aus den organischen Resten von toten Organismen, sondern allein durch die herrschenden extremen Bedingungen gebildet worden sein. Ein Teil der russischen und ukrainischen Öl- und Gasvorkommen sollte aus dieser Quelle stammen.
Erdmantel im Labor „nachgebaut“
Soweit die Theorie. Doch Belege für eine solche tiefe Entstehung fehlten bisher. Jetzt aber hat ein internationales Forscherteam tatsächlich im Experiment nachgewiesen, dass Ethan und auch größere Kohlenwasserstoffe tatsächlich unter den Druck- und Temperaturbedingungen des oberen Mantels entstehen können. Die Versuche wurden am Geophysikalischen Labor der Carnegie Institution in den USA durchgeführt, beteiligt waren Forscher der Carnegie Institution sowie Kollegen aus Russland und Schweden.
Für das Experiment gaben die Forscher Methan (CH4) in eine Diamantdruckkammer und erhitzten es mit einem Laserstrahl auf Temperaturen zwischen 700°C und 1.225°C. Der Druck in der Kammer entsprach dabei dem mehr als 20.000fachen des normalen Luftdrucks auf Meeresniveau. Diese Bedingungen entsprechen den Verhältnissen in 65 bis 150 Kilometern Tiefe.
Methan zu längerkettigen Kohlenwasserstoffen umgewandelt
Unter diesen Extremen reagierte das Methan zu längerkettigen Kohlenwasserstoffen wie Ethan, Propan und Butan sowie zu molekularem Wasserstoff und Graphit. Als die Wissenschaftler den gleichen Versuch mit Ethan durchführten, entstand Methan. Die neu gebildeten Hydrokarbone blieben noch über Stunden hinweg stabil, nach ein paar Tagen jedoch verblasten ihre chemischen Signaturen in der Versuchskammer.
Diese Umwandlungen deuten nach Ansicht der Wissenschaftler darauf hin, dass es tiefer im Erdmantel sehr wohl schwerere Kohlenwasserstoffe geben könnte. „Schon vor einigen Jahren haben Forscher in Experimenten Methan hohen Drücken und Temperaturen ausgesetzt und darüber berichtet, dass schwerere Kohlenwasserstoffe entstehen. Aber damals konnten die resultierenden Moleküle nicht identifiziert werden“ erklärt Alexander Goncharov von der Carnegie Institution, einer der Koautoren der aktuellen Studie. „Wir haben diese Probleme überwunden, indem wir unsere verbesserte Laserheiztechnik eingesetzt haben. Dadurch konnten wir größere Volumina gleichmäßig erhitzen.“
Reversibilität als Indiz für Transformation ohne organische Bestandteile
Die Reversibilität des Prozesses wiederum ist ein weiteres Indiz dafür, dass allein thermodynamische Faktoren diese Transformation kontrollieren und organische Materie dafür nicht benötigt wird. Auch schlossen die Wissenschaftler aus, dass die Katalysatoren, die im Versuchsaufbau eingesetzt wurden, für diese Reaktionen verantwortlich gewesen sein könnten. Tief im Erdmantel allerdings, so räumen sie ein, wäre es durchaus möglich, dass Katalysatoren an solchen Prozessen mitwirken.
„Jetzt muss die Synthese und Stabilität der hier untersuchten Verbindungen sowie der schwereren Kohlenwasserstoffe, die es im Erdmantel noch geben könnte, genauer erforscht werden“, erklärt Vladimir G. Kutcherov von der Universität Uppsala. „Zusätzlich muss geklärt werden, in welchem Maße dieser ‚reduzierte‘ Kohlenstoff die Migration in die Erdkruste übersteht ohne zu CO2 oxidiert zu werden.“ Nach Ansicht der Forscher ist ein neues experimentelles und theoretisches Forschungsprogramm nötig, um diese und andere Fragen zum Schicksal des Kohlenstoffs im tiefen Erdinneren zu erforschen.
(Carnegie Institution, 29.07.2009 – NPO)