Der Stern Beteigeuze nähert sich dem Ende seines Lebenszyklus. Die bisher schärfsten Aufnahmen des roten Überriesen enthüllen, dass dieser bereits eine gewaltige, asymmetrische Gaswolke ausgestoßen hat. Großräumige Gasströmungen in der Sternenatmosphäre scheinen dafür der Auslöser zu sein. Das berichtet ein internationales Forscherteam jetzt in gleich zwei Veröffentlichungen in der Fachzeitschrift „Astronomy and Astrophysics“.
Beteigeuze, im englischen auch Betelgeuse genannt, ist am Nachthimmel leicht zu erkennen, denn er ist der zweithellste Stern der Konstellation Orion. Der rote Riesenstern bildet einen der beiden „Schultersterne“ des mythischen Jägers. Fast tausendfach größer als unsere Sonne ist Beteigeuze einer der größten bekannten Sterne. Obwohl er erst einige Millionen Jahre alt ist, nähert er sich rapide dem Ende seines stellaren Lebenszyklus, einer Supernova. Nur noch lose von der Gravitation des Kerns gehalten, dehnen sich die äußeren Gashüllen aus und beginnen sich zu lösen.
Rätsel des Massenausstoßes
Wann Beteigeuze allerdings zur Supernova wird, ob in tausend oder hunderttausend Jahren, ist bisher unklar. Unklar ist auch, wie die roten Überreisen so große Mengen an Materie innerhalb relativ kurzer Zeit ausstoßen können. Im Falle des Beteigeuze handelt es sich immerhin innerhalb von nur 10.000 Jahren um eine Masse vergleichbar der der Sonne. Um der Sache auf den Grund zu gehen, setze ein internationales Astronomenteam der Europäischen Südsternwarte das optische Instrument „NACO“ des Very Large Telescope (VLT) auf dem Paranal in Chile ein.
Bildkombination erzeugt bisher schärfste Auflösung
NACO nutzt die so genannte “Lucky Imaging” Technik, um die Verzerrungen und Unschärfen durch Turbulenzen in der Erdatmosphäre auszugleichen. Dafür wählt es aus den zahlreichen Aufnahmen nur die schärfsten aus und kombiniert sie dann zu einem einzigen Kombinationsbild. Dieses Verfahren lässt Aufnahmen entstehen, die sehr viel schärfer sind als eine einzige, länger belichtete. Sie erreichen fast das theoretische Schärfelimit eines Acht-Meter-Teleskops: eine Auflösung von 37 Millibogensekunden – das entspricht der Größe eines auf dem Boden liegenden Tennisballs, gesehen von Bord der Internationalen Raumstation.
„Dank dieser außerordentlichen Aufnahmen haben wir einen großen Schwaden von Gas entdeckt, der sich von der Oberfläche der Beteigeuze ins All erstreckt“, erklärt Pierre Kervella vom Pariser Observatorium, Leiter des ESO-Teams. Die Ausdehnung des Gasschwadens entspricht mindestens dem sechsfachen Durchmesser des Sterns, das ist vergleichbar mit der Entfernung zwischen der Sonne und dem Planeten Neptun. „Das ist ein klares Anzeichen dafür, dass die gesamte äußere Hülle des Sterns ihre Materie nicht gleichmäßig in alle Richtungen abgibt“, so der Forscher.
Polkappen oder Konvektion?
Theoretisch gäbe es zwei Mechanismen, die diesen asymmetrischen Materieausstoß erklären könnten. Der eine geht davon aus, dass der Massenverlust wegen der Rotation vor allem über den Polkappen des Sterns geschieht. Beim Anderen sind großräumige Gasumwälzungen im Stern der Auslöser für regionale Ausbrüche. Solche Umwälzströmungen, Konvektion genannt, entstehen in ähnlicher Form auch in siedendem Wasser.
Welcher Mechanismus aber war nun für den Gasschwaden verantwortlich? Um das herauszufinden, nutzte Keiichi Ohnaka vom Max Planck Institut für Radioastronomie in Bonn die Methode der Interferometrie. Mit diesem Verfahren lassen sich mehrere Instrumente virtuell zusammenschalten, so dass die Auflösung erhöht wird. Das AMBER-Instrument am VLT kombiniert dazu die Daten von drei 1,8 Meter Zusatzteleskopen des ESO und erzeugt so Auflösungen, die denen eines virtuellen 48-Meter-Teleskops entsprechen.
Auf- und Ab der Gase
In dieser extrem hohen Auflösung konnte die Astronomen feinste Details erkennen – und kamen so auch zu einer Antwort auf die Frage nach dem Mechanismus: Es zeigte sich, dass das Gas in der Atmosphäre von Beteigeuze sich in Blasen heftig auf und ab bewegt. Diese Gasblasen sind so groß wie der gesamte Stern und deuten darauf hin, dass Konvektion den Ausstoß des Gasschwadens auslöste.
„Wir beobachteten, wie sich das Gas in verschiedenen Regionen der Beteigeuze-Oberfläche bewegte. Dies ist das erste Mal, dass so etwas überhaupt für einen anderen Stern als die Sonne gemacht werden konnte“, erklärt Ohnaka.
(ESO, 30.07.2009 – NPO)