In Zukunft könnte eine Art Tarnkappe Schulen, Krankenhäuser und andere gefährdete Gebäude vor der zerstörerischen Wirkung von Erdbeben schützen. Was zunächst fantastisch klingt, haben französische Wissenschaftler jetzt tatsächlich entwickelt. Das Prinzip beruht auf einer Platte aus Spezialmaterial, die die Bebenwellen so umleitet, dass sie um das Gebäude herumlaufen und dieses damit für sie quasi „unsichtbar“ und unerreichbar wird. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ erschienen.
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Die Wissenschaftler am Institut Institut Fresnel in Marseille sind Experten für „Tarnkappen“. Sie entwickeln Materialien, die Wellen verschiedenster Art umleiten und so die Objekte dahinter nicht erreichen. Wird dies beispielsweise bei sichtbarem Licht erreicht, dann wird das Objekt unsichtbar, da wir nur die Dinge sehen, die Lichtwellen brechen oder reflektieren. Doch jetzt haben die Forscher der französischen Forschungsorganisation CNRS mithilfe von mathematischen Modellen eine Tarnkappe entwickelt, die nicht für Lichtwellen, sondern für die Wellen eines Erdbebens wirksam ist.
Metamaterial lenkt Wellen um
Die Tarnkappe besteht aus einer dünnen, mit einer speziellen Struktur versehenen Platte, die die Ausbreitung der Erdbebenwellen beeinflusst. Die Struktur besteht aus konzentrischen Ringen aus verschiedenen Materialien, die zusammen ein so genanntes Metamaterial – ein Material mit Eigenschaften, wie es sie in der Natur nicht gibt – bilden. Dies betrifft vor allem die Leitfähigkeit und Durchlässigkeit für elektromagnetische und andere Wellen. Diese werden so umgeleitet, dass sie um ein hinter der Platte liegendes Objekt herumlaufen anstatt es frontal zu treffen.
Schutz vor Oberflächenwellen eines Bebens
Ein Gebäude, das hinter einer solchen Platte steht, würde damit zumindest von den Oberflächenwellen eines Erdbebens getroffen werden. Die Oberflächenwellen gelten als die zerstörerischsten Wellen eines Bebens. Da die Gleichungen, denen diese Wellen folgen, auch bei geometrischer Transformation unverändert bleiben, konnte die Wissenschaftler ihre Tarnkappe auf diese Wellenform hin anpassen. Die Druck- und Scherwellen eines Bebens allerdings lassen sich damit nicht abfangen, da sie diese Konstanz nicht besitzen.
Denkbar auch als Vibrationsschutz
Um die Idee der Tarnkappe gegen Erdbeben umzusetzen, müssten die Platten in Zusammenarbeit mit Geologen an die spezifischen Bedingungen des Untergrunds am Standort angepasst werden. Erste Tests laufen jedoch bereits. Nach Ansicht der Wissenschaftler wären mögliche Anwendungen der Schutz von fragilen Steilhängen wie den weißen Klippen von Dover oder aber der Schutz von Fischzuchtanalgen in tropischen Küstengebieten. In kleinerem Maßstab könnte die Tarnkappe auch gegen unerwünschte Vibrationen beispielsweise in Fahrzeugen oder Flugzeugen eingesetzt werden.
(CNRS (Délégation Paris Michel-Ange), 03.08.2009 – NPO)