Ökologie

Investitionen in Ökosysteme lohnen sich

Studie: Riffe & Co einer der wichtigsten Verbündeten beim Kampf gegen den Klimawandel

Cover des Themenpapiers von TEEB zur Klimaproblematik, September 2009 © TEEB/UFZ

Investitionen in die Wiederherstellung und Erhaltung der mit einem Wert von mehreren Billionen Dollar bezifferten Ökosysteme dieser Erde – von Wäldern und Mangroven bis zu Feuchtgebieten und Riffen – können eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung des Klimawandels und der Stärkung der Widerstandsfähigkeit anfälliger Wirtschaftssysteme gegenüber Klimaschwankungen und -änderungen spielen. Dies ist eine der wichtigsten Erkenntnisse von TEEB, einem globalen Projekt zur Untersuchung der Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität.

TEEB – The Economics of Ecosystems and Biodiversity – wird unter der Schirmherrschaft des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) durchgeführt. Ein erster Zwischenbericht wurde gestern vom Leiter der TEEB-Studie Pavan Sukhdev zusammen mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel vorgestellt.

Dem Report zufolge wird die biologische Vielfalt – die ökologische Infrastruktur unseres Planeten – zunehmend von den Auswirkungen steigender Treibhausgasemissionen bedroht. Dabei seien natürliche Ökosysteme einer der wichtigsten, noch nicht mobilisierten Verbündeten im Kampf gegen die größte Herausforderung für unsere Generation, heißt es in dem Bericht, der im Rahmen der Vorarbeiten für eine abschließende Studie im Jahr 2010 erstellt wurde.

Ankurbelung des Minderungs- und Anpassungsmotors der Natur

Der Sachstandsreport weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Finanzierungsvereinbarung für den Bereich Wälder für die Regierungen, die im Dezember an der entscheidenden Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen in Kopenhagen teilnehmen, hohe Priorität habe. Schätzungsweise fünf Milliarden Tonnen bzw. 15 Prozent des weltweiten Ausstoßes von Kohlendioxid – dem wichtigsten Treibhausgas – werden jährlich von den Wäldern absorbiert oder sequestriert, die somit einen zentralen Beitrag zur Abschwächung des Klimawandels leisten. Dies könnte auch als „grüner Kohlenstoff“ bezeichnet werden.

Investitionen in Maßnahmen auf Ökosystemebene, zum Beispiel zur Reduzierung der Emissionen aus der Entwaldung und Waldschädigung in Entwicklungsländern – Reduced Emissions from Deforestation and forest Degradation (REDD)- könnten laut dem Bericht aber nicht nur zur Bewältigung des Klimawandels beitragen, sondern auch eine wirksame Armutsbekämpfungs- und Anpassungsmaßnahme sein.

Waldbezogenes Emissionshandelspaket

Wälder stellen auch Leistungen wie etwa Trinkwasser, die Stabilisierung des Bodens, Nährstoffe für die Landwirtschaft, Möglichkeiten für Ökotourismus sowie Nahrung, Fasern und Brennstoffe bereit – die allesamt eine wichtige Pufferfunktion erfüllen, um anfällige Bevölkerungsgruppen vor den Auswirkungen des bereits in Gang befindlichen Klimawandels zu schützen.

TEEB fordert die Regierungen nachdrücklich auf, diese weiter gehenden Vorteile in ein waldbezogenes Emissionshandelspaket einzubeziehen, um das positive Echo des Abkommens von Kopenhagen möglichst weit in die Zukunft zu tragen. Damit könnte der Weg für eine neue „grüne Wirtschaft“ im 21. Jahrhundert bereitet werden, in der Naturgüter bzw. naturbezogene Güter fester Bestandteil der allgemeinen Wirtschafts- und Politikplanung sind.

Laut Aussage des TEEB-Berichts können die Regierungen schon jetzt Schritte zur Einbeziehung der Ökosystemleistungen in ihre volkswirtschaftliche Gesamtrechnung unternehmen, um „zu messen, was sie managen“. Zur Unterstützung schlagen die Wissenschaftler eine Aktualisierung des Handbuchs der Vereinten Nationen zur integrierten umweltökonomischen Gesamtrechnung aus dem Jahr 2003 und die Einbeziehung des Waldkohlenstoffs vor.

Die genaue Höhe der erforderlichen Investitionen zur Erhaltung und Stärkung der Kohlenstoffspeicherungs- und Anpassungsleistungen der Ökosysteme in einer vom Klimawandel bedrohten Welt ist zwar noch nicht bekannt, doch die aktuellen Zwischenergebnisse von TEEB weisen darauf hin, dass die ökologische Infrastruktur der Erde ein vorzügliches Renditepotenzial bietet. So könnten beispielsweise allein durch eine 45-Milliarden-US-Dollar-Investition in Schutzgebiete naturbezogene Leistungen im Wert von fünf Billionen US-Dollar pro Jahr gesichert werden.

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Notstand der Korallenriffe

Der Bericht stellt auch einige der Konsequenzen heraus, mit denen wir rechnen müssen, wenn es den Regierungen nicht gelingt, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und in Kopenhagen ein ehrgeiziges Abkommen zu besiegeln.

TEEB spricht von einem „Korallenriff-Notstand“, der aufgrund des aktuellen Anstiegs der Treibhausgaskonzentrationen bereits Realität geworden ist. Wissenschaftler von TEEB weisen darauf hin, dass es bei atmosphärischen CO2-Konzentrationen von mehr als 350 ppm (parts per million) zu einer irreversiblen Schädigung der Korallenriffe kommen kann. Das hängt nicht nur mit steigenden Temperaturen zusammen, sondern auch mit der zunehmenden Versauerung der Meere.

Die Konzentrationen liegen bereits jetzt über diesem Grenzwert und steigen weiter an. Ein Einpendeln der CO2-Konzentrationen auf einem Niveau von 450 ppm – und damit etwa 16 Prozent über den aktuellen Werten – könnte innerhalb weniger Jahrzehnte zur vollständigen Vernichtung dieses wichtigen Ökosystems führen. Dieses liefert aber Ökosystemdienstleistungen in Milliardenhöhe pro Jahr und stellt gleichzeitig die Existenzgrundlage von einer halben Milliarde Menschen dar.

Korallenriffe einer der produktivsten Naturschätze der Erde

Sukhdev erklärte bei der Vorstellung des Reports, dass uns durch den Verlust der weltweiten Korallenriffe einer der produktivsten Naturschätze der Erde verloren gehen würde, der für den Schutz der Küsten vor künftig zunehmenden Sturmfluten und anderen durch den Klimawandel bedingten extremen Wetterereignisse eine Schlüsselrolle spielt.

„Die Ökosystemleistungen der Korallenriffe – die vom Küstenschutz bis zu Fischzuchtanlagen reichen – haben einen Wert von bis zu 170 Milliarden US-Dollar pro Jahr; die Existenz von rund einer halben Milliarde Menschen hängt von ihnen ab, und über ein Viertel aller in der Meeresumwelt vorkommenden Fischarten sind auf die Korallenriffe angewiesen“, sagte Sukhdev weiter. „Die Klimaschutzziele vieler Regierungen könnten sich zwar für manche Ökosysteme und manche Bestandteile der biologischen Vielfalt als ausreichend erweisen, doch das Überleben der weltweiten Korallenriffe und ihrer natürlichen Schätze ist inzwischen ganz konkret in Frage gestellt.“

Die wirtschaftlichen Folgen seien gravierend, und dasselbe gelte auch für die sozialen und die humanitären Folgen. Dies zeige in aller Deutlichkeit, dass eine einfache Kosten-Nutzen-Analyse allein nicht ausreiche, um die ethischen Dimensionen internationaler klimapolitischer Entscheidungen jetzt und in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zu erfassen – insbesondere im Hinblick auf ein Ökosystem, das sich an einem klimatischen Wendepunkt befinde.

Gabriel: Ökologische Wiederherstellung wichtiges Instrument bei der Bewältigung des Klimawandels

„Die Anfälligkeit des Menschen gegenüber den negativen Auswirkungen des globalen Klimawandels hat sich durch den Rückgang der biologischen Vielfalt erheblich verschärft. TEEB ist ein Beweis, dass der Schutz und die Wiederherstellung der ökologischen Infrastruktur kostengünstige und wirksame Mittel sind, um die globalen Klimaänderungen und ihre Folgen zu bremsen. Für mich ist die ökologische Wiederherstellung ein außerordentlich wichtiges Instrument bei der Bewältigung des globalen Klimawandels, dem Ausbau der Kohlenstoffsenken und der Verbesserung ihrer Funktion sowie zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Was wir jetzt brauchen, ist ein Durchbruch in Kopenhagen. Wir müssen erkennen, dass die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme und die Bewahrung der biologischen Vielfalt unseres Planeten elementare Bestandteile der Minderungs- und Anpassungsstrategien sind“, erklärte dagegen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.

Klimawandel und Biodiversitätsverlust gemeinsam bekämpfen

Und Karl Falkenberg, Generaldirektor der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission ergänzte: „Diese TEEB-Ergebnisse zeigen, dass Klimawandel und Biodiversitätsverlust gemeinsam bekämpft werden müssen. Sie unterstützen auch das Ziel der EU, in Kopenhagen zu einem konkreten und ehrgeizigen Abkommen zu gelangen, das sowohl eine Senkung der weltweiten Treibhausgasemissionen als auch die Schaffung globaler Mechanismen zum Stopp der Tropenwaldabholzung einschließt. Ohne eine Abschwächung der Klimaänderungen werden wir es einfach nicht schaffen, den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten. Und ohne die Sicherung unserer wertvollen Ökosysteme und biologischen Vielfalt werden wir nicht in der Lage sein, die Klimaänderungen zu mindern oder uns daran anzupassen.“

Investitionen in die Ökosystem-Infrastruktur versprechen Erfolg

Achim Steiner, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und Exekutivdirektor von UNEP, kam zu dem Schluss: „Es zeichnet sich klar ab, dass Investitionen in die Ökosystem-Infrastruktur unseres Planeten beides schaffen können: Erfolge der grünen Wirtschaft bei der Drosselung und Reduzierung der Emissionen bei gleichzeitiger Unterstützung anfälliger Gemeinschaften in ihren Anpassungsbemühungen.“

Er fügte hinzu: „Derzeit erwägen die Regierungen Investitionen in Milliardenhöhe in die CO2-Abscheidung und -Speicherung in Kraftwerken. Vielleicht ist es an der Zeit, dies einer umfassenden Kosten-Nutzen- Analyse zu unterziehen, um herauszufinden, ob sich die technologische Option mit der CO2-Abscheide- und Speicherfähigkeit der Natur messen kann – einem natürlichen System, das über Jahrmillionen immer perfekter geworden ist und eine Vielzahl zusätzlicher Vorteile von der Wasserversorgung bis zur Umkehr der Verlustrate biologischer Vielfalt bietet.“

(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 04.09.2009 – DLO)

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