Amphibien zählen zu den am stärksten bedrohten Tieren der Erde. Jetzt macht ihnen zu allem Überfluss auch noch eine gefährliche Pilzerkrankung zu schaffen. Ein neu entwickeltes Modell zeigt, wo der Schadpilz günstige Verbreitungsbedingungen vorfindet. Leider scheinen sie ausgerechnet dort optimal, wo bisher noch weitgehend unberührte Zentren der Artenvielfalt der Amphibien liegen wie beispüeilsweise in Südostasien.
Nach der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten der Weltnaturschutzorganisation IUCN sind zwei Drittel der rund 6500 bekannten Amphibienarten vom Aussterben bedroht. Vor allem Froschlurche, die den Großteil der Amphibien ausmachen, sind betroffen. Nebst den „klassischen“ Ursachen wie Habitatverlust und Umweltverschmutzung werden im IUCN Amphibian Conservation Action Plan auch so genannte „neue“ Ursachen für den dramatischen Artenrückgang verantwortlich gemacht.
Pilz „aus dem Nichts“ vernichtet Bestände
Eine besondere Rolle spielen sich ausbreitende Krankheiten wie die Chytridiomykose. Sie wird durch Batrachochytrium dendrobatidis, den Amphibien-Chytridpilz, ausgelöst. Der Ursprung dieses Erregers ist unbekannt; älteste Vorkommen sind in konservierten Krallenfröschen aus Afrika nachgewiesen
worden. Ob der Pilz tatsächlich von dort kommt, ist allerdings ungewiss. Als sicher gilt jedoch, dass er seit den 1980er Jahren an verschiedenen Orten der Erde plötzlich aufgetreten ist und binnen kurzer Zeit ganze Amphibien-Lebensgemeinschaften dahingerafft hat, insbesondere in Süd- und Zentralamerika sowie in Australien.
Wissenschaftler am Institut für Biogeographie der Universität Trier um Stefan Lötters, Dennis Rödder und Professor Michael Veith haben nun in Zusammenarbeit mit Instituten in Bonn, Kopenhagen, London und Madrid anhand des bisherigen Vorkommens des Pilzes und Klimadaten ein Modell erstellt mit dessen sich seine potenziellen globale Verbreitung vorhersagen lässt.
Zentren der Artenvielfalt besonders gefährdet
Das Forscherteam zeigt unter anderem, dass der Erreger beste Bedingungen ausgerechnet in einigen Regionen findet, die als Zentren der Artenvielfalt für Amphibien gelten, aber bisher noch frei vom Chytridpilz sind. Dazu zählen Madagaskar, das Äthiopische Hochland, die südliche Himalaya- Region, Chinas Yunnan Provinz sowie weite Teile Süd-Ost-Asiens. Kombiniert man das Modell für die potentielle Verbreitung des Pilzes mit Verbreitungskarten der bekannten Amphibien, zeigt sich dass 1.100 Arten ausschließlich in Regionen vorkommen, die für den Pilz als sehr geeignet gelten.
Wenn man allein die Froschlurche betrachtet, so gelten solche, die bestimmte Lebensweisen besitzen, als besonders empfänglich für die Chytridiomykose (z.B. Vorkommen in Gebirgen, Fortpflanzung in Fließgewässern). Dies sind vornehmlich Frösche und Kröten aus tropischen Regionen Südamerikas, Afrikas, Asiens und Australiens. Die Forschergruppe nimmt an, dass es sich bei diesen 379 Arten um die am stärksten durch den Chytridpilz gefährdeten Amphibien handelt.
Wirkung und Übetragung unbekannt
Wie genau der Chytridpilz wirkt ist bisher unbekannt. So kann beispielsweise nicht erklärt werden, warum zwar viele, aber nicht alle Arten lokal aussterben. Einige schrumpfen nur auf eine minimale Populationsgröße zusammen, bleiben dann aber stabil. Andere wiederum scheinen völlig unbeeinträchtigt von der Chytridiomykose zu sein.Solche Arten kommen als mögliche Überträger des Pilzes in Frage, da Batrachochytrium dendrobatidis selbst wenig mobil ist. Eine weitere Rolle beim Vormarsch der Krankheit spielt der Mensch. Der Pilz überlebt im feuchten Schlamm an Stiefeln oder Keschern. Eine andere Möglichkeit der Übertragung bietet der Tierhandel.
Bekämpfung nicht möglich
Möglichkeiten der Bekämpfung von Batrachochytrium dendrobatidis in der Natur existieren bisher nicht. Die IUCN propagiert die vorübergehende Erhaltungszucht in menschlicher Obhut, beispielsweise in Zoos als moderne Arche Noah. Doch sind die räumlichen und finanziellen Kapazitäten hier trotz
erheblicher Bemühungen und vorhandener Kompetenzen beschränkt. Die Auswahl der Arten für die Arche erfolgte in der Vergangenheit oftmals ohne fundiertes Wissen darüber, wie gefährdet durch den Chytridpilz sie wirklich sind. Die vorliegende Studie unter Federführung der Universität Trier erlaubt nun eine bessere Priorisierung von Arten für die Erhaltungszucht.
Auch in Europa findet der Chytridpilz zunehmend geeignete Lebensbedingungen vor und viele einheimische Arten sind bereits infiziert. Die Trierer Forscher widmen sich daher nun verstärkt der Frage, ob und in welchem Maße der Amphibienerreger auch bei uns beginnt Fuß zu fassen und mit welchen Folgen zu rechnen ist.
(Universität Trier, 23.09.2009 – NPO)