Kann die Evolution einmal gemachte Veränderungen zurücknehmen, ihren Lauf quasi umkehren, wenn die Umweltverhältnisse es erfordern? Offenbar nicht, wie eine neue „Nature“-Studie jetzt zeigt. Demnach ist die Evolution selbst im Reich der Biomoleküle eine Einbahnstraße, die keine Rückschritte erlaubt.
Die Evolution, angetrieben durch Selektion und Mutationen, steht nie still. Ähnlich einem Hamster im Laufrad sorgen Umwelteinflüsse ständig dafür, dass sich Spezies verändern. Aber in welche Richtung gehen diese Veränderungen? Kann es auch eine Rückentwicklung zu alten, bereits „überholten“ Strukturen geben? Nach Ansicht der meisten Evolutionsforscher lautet die Antwort auf diese Frage nein. Selbst scheinbar rückentwickelte Lebensformen wie im Darm lebende Parasiten sind spezielle, vorwärts gewandte Anpassungen, kein Rückgriff auf primitive Typen. Aber gibt es nicht vielleicht doch Ausnahmen?
Kann ein Rezeptor noch „zurück?“
Joe Thornton und seine Kollegen vom Howard Hughes Medical Institute der Universität von Oregon haben untersucht, ob ein solcher Rückschritt vielleicht im kleinsten Maßstab, im Bereich der Biomoleküle möglich ist. Sie rekonstruierten alte Formen eines regulatorischen Proteins, des Glucocorticoid-Rezeptors, und kartierten die evolutionären Veränderungen, die zur heutigen Form des Proteins geführt haben. Die Forscher analysierten dann, wie sich die Funktion des Rezeptors im Laufe der Zeit verändert hatte, welche Hormone er damals und heute bindet und ob dies reversibel wäre.
Aminosäuren als „Widerhaken“
Die Auswertung ergab, dass ein „Rückbau” zur alten Funktion durch einfaches Wiedereinbauen der alten Aminosäuren nicht möglich wäre. Denn auch diese haben im Laufe der Zeit Veränderungen angesammelt, die nun wie eine Art Widerhaken wirken: Sie blockieren den evolutionären Weg zurück und verhindern eine Rückkehr zum historischen Zustand.
Nach Ansicht der Autoren deutet dies darauf hin, dass auch die molekulare Evolution nicht reversibel ist. Sie zwingt die natürliche Selektion auch in diesem Bereich vorwärts, selbst wenn der Druck durch die Umweltbedingungen eher einen Rückschritt zu favorisieren scheint.
(Nature, 24.09.2009 – NPO)