Seit Jahrzehnten fragen sich Wissenschaftler, ob und wie stark menschengemachte Staubpartikel in der Atmosphäre, so genannte Aerosole, die Wolkenbedeckung vergrößern und damit die Klimaerwärmung bremsen. Die Forschung kommt in dieser Frage kaum voran. Deutsche und amerikanische Wissenschaftler berichten nun in „Nature“, dass das Wechselspiel zwischen Aerosolen, Wolken und Niederschlag stark von Einflüssen abhängt, die bislang zu wenig untersucht wurden. Sie fordern daher ein Forschungskonzept, um die Wissenslücke zu schließen.
Treibhausgase, die die Erdatmosphäre erwärmen, haben Gegenspieler: Staubteilchen, die in der Lufthülle schweben. Sie entstehen auf natürliche Weise, etwa indem Winde Wüstenstaub aufwirbeln, aber auch durch menschliche Aktivitäten. Ein großer Teil der menschgemachten Aerosole entsteht aus Schwefeldioxiden, die wiederum aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen kommen.
„Cloud lifetime effect“
Die Aerosole gelten als Klimakühler, die einen Teil der Erdwärmung durch die Treibhausgase wieder ausgleichen. Den Kühlmechanismus stellen sich Klimaforscher sehr einfach vor: Wenn Aerosole in Wolken gelangen, ziehen sie Wassermoleküle an sich und wirken so als Kondensationskeime für Wassertropfen. Je mehr Aerosol-Partikel in der Wolke schweben, desto mehr Wassertröpfchen entstehen. Wenn menschgemachte Staubteilchen zu den natürlichen kommen, vergrößert sich daher die Anzahl der Tröpfchen. Dadurch verkleinert sich jedoch die durchschnittliche Größe der Tröpfchen. ´
Weil kleinere Tröpfchen nicht zu Boden fallen, verhindern die Aerosole das Abregnen einer Wolke und verlängern ihre Lebensdauer. Somit nimmt die Bewölkung über der Erdoberfläche zu. Da Wolken die Sonnenstrahlung reflektieren und ins All zurückwerfen, sammelt sich weniger Wärme in der Atmosphäre an als bei klarerem Himmel. Den Mechanismus bezeichnen Klimaforscher als „Cloud lifetime effect“.
Literaturstudie liefert überraschende Ergebnisse
Doch bislang gelang es nicht, den Einfluss des Cloud lifetime effect auf das Klima zu quantifizieren. Die Schätzungen schwanken extrem: Die Skala reicht von gar keinem Einfluss bis hin zu einer Kühlwirkung, die ausreicht, um die Erwärmung durch Kohlendioxid mehr als auszugleichen.
Die große Unsicherheit weise darauf hin, dass die Erklärung des Kühlmechanismus durch Aerosole zu stark vereinfacht sei, schreiben Bjorn Stevens vom MPI-M und Graham Feingold vom Earth System Research Laboratory der NOAA in Washington D.C. Die beiden Wolkenforscher haben die Fachliteratur, die seit den 1970er-Jahren zum Thema veröffentlicht wurde, analysiert. Dabei stießen sie auf Beobachtungen, die dem Cloud lifetime effect widersprechen. Beispielsweise fand eine vor wenigen Jahren durchgeführte Feldstudie, dass Wolken in der Passatwindregion bei Anwesenheit von wenig transparentem Aerosol schneller abregnen, statt langsamer.
Kühlwirkung der Aerosole eher gering?
Nach ihrer Literaturanalyse sind Stevens und Feingold zu folgendem Schluss gelangt: „Wolken regieren auf Aerosole auf sehr komplexe Weise und die Reaktion hängt stark von der Wolkenart und dem Wolkenzustand ab“, sagt Stevens. Das Aerosol-Problem sei deshalb ein Wolken-Problem. „Wir Klimaforscher müssen uns stärker auf das Verständnis von Wolkensystemen konzentrieren“, betont der Meteorologe.
Bislang seien Prozesse in den Wolken nicht berücksichtigt worden, die dem Einfluss der Aerosol-Partikel entgegenwirken oder ihn sogar aufheben, schreiben die Forscher. Ein Beispiel: Wenn eine Kumuluswolke mit Aerosolen in Kontakt kommt, regnet sie zwar zunächst nicht ab. Doch das hat Folgen: Die Flüssigkeit steigt nach oben und verdampft über der Wolke. Dabei kühlt sich die über der Wolke liegende Luft ab, wodurch sie empfänglich für eine Ausdehnung der Kumuluswolke nach oben wird. Höhere Kumuluswolken regnen leichter ab als niedrige. Deshalb kommt es nun doch zum Niederschlag. Das Aerosol verhindert in einem solchen Fall nicht das Abregnen der Wolke.
Umdenken in der Aerosol-Forschung nötig?
Stevens und Feingold glauben, dass die Kühlwirkung der Aerosole wegen solcher Puffermechanismen eher gering ist. Sie räumen aber ein, dass der Cloud lifetime effect nicht per se ungeeignet ist, die durch Aerosole ausgelösten Vorgänge in den Wolken zu erklären. „Es lassen sich eben nicht alle Wolkentypen und -zustände über einen Kamm scheren“, sagt Stevens. Er fordert ein Umdenken in der Aerosol-Forschung und zieht einen Vergleich zur Krebsforschung: „Früher dachte man, es gebe einen Entstehungsmechanismus von Krebs. Heute weiß man, dass jede Krebsart für sich erforscht werden muss“, sagt der Wissenschaftler.
Nach der Meinung von Stevens und Feingold müsse die Forschung zunächst herausfinden, in welchen Wolkensystemen Aerosole den größten Einfluss haben. Sie schlagen vor, mit besonders häufig vorkommenden Wolkenarten zu beginnen, etwa flache Kumulus-Wolken über den Ozeanen (Passatkumuli), die 40 Prozent der Weltmeere bedecken.
Messkampagne mit HALO
Ein Forschungsprojekt des Max-Planck-Institutes für Meteorologie und des Caribbean Institute for Meteorology and Hydrology in Miami soll hier einen Anfang machen. Die zweijährige empirische Feldstudie beginnt 2010 auf der in der Passatregion liegenden Karibikinsel Barbados. Auf deren windzugewandten Seite werden die Forscher Fernerkundungsinstrumente installieren, welche die vom offenen Ozean kommenden Wolken ins Visier nehmen.
Ergänzt werden die Bodenmessungen durch Messungen in den Wolken selbst, die vom deutschen Forschungsflugzeug HALO vorgenommen werden. Die Daten aus der Messkampagne sollen helfen, die Beziehungen zwischen Wolkenbedeckung, Niederschlag, umgebenden meteorologischen Bedingungen und Aerosolen besser zu verstehen.
(idw – Max-Planck-Gesellschaft, 01.10.2009 – DLO)