Geowissen

Vulkane: Magma-Aufstieg rasend schnell

Geschwindigkeit aufsteigenden Magmas bei plinianischen Vulkanausbrüchen erstmals gemessen

Eine plinianische Eruption ist sehr explosiv, hier der Mount Redoubt in Alaska © USGS

Mit der rasenden Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde schießt bei einem plinianischen Vulkanausbruch das Magma an die Oberfläche. Diese überraschend schnelle Förderquote bei den hochexplosiven Eruptionen dieses Vulkantyps, zu dem auch der Pinatubo oder der Vesuv gehören, haben Wissenschaftler jetzt erstmals anhand von Gesteinsmaterial des südchilenischen Vulkans Chaitén nachgewiesen. Die in „Nature“ Online erschienene Studie wirft auch die Frage auf, ob rechtzeitige Warn- und Evakuationsmaßnahmen bei solchen Vulkanen überhaupt möglich sind.

Plinianische Vulkanausbrüche sind berüchtigt: Der erste Bericht eines solchen hoch explosiven Vulkanausbruchs stammt aus dem Jahr 79 nach Christus: Damals wurde der römische Schriftsteller Plinius der Jüngere Augenzeuge des berüchtigten Vesuvausbruchs, bei dem gewaltige Asche- und Bimssteinmassen die Stadt Pompei unter sich begruben. Die Eruptionen treten oft nach langen Ruheperioden auf und kündigen sich im Vorfeld nur durch kurze Phasen der Unruhe an. Beim Ausbruch steigt der Magmastrom innerhalb kurzer Zeit bis zur Erdoberfläche auf und wird durch den großen Druck im Vulkaninneren explosionsartig in die Luft geschleudert. Vulkane, die zu dieser Art von Ausbrüchen neigen, sind neben dem Vesuv auch der Pinatuboauf den Philippinen oder der Mount St. Helens in den USA.

Chaitén: Ausbruch nach 9.000 Jahren

In den südamerikanischen Anden gibt es mehr als ein Dutzend solcher plinianischen Vulkane, und erst vor kurzem beobachteten Wissenschaftler einen höchst explosiven Ausbruch: Am 2. Mai 2008 spuckte der südchilenische Vulkan Chaitén völlig überraschend Asche und Gesteinsbrocken, die sich zu einer bis zu 20 Kilometer hohen Staubwolke über dem Berg auftürmten. Der zehn Kilometer entfernte Ort Chaitén wurde von einer zentimeterdicken Ascheschicht bedeckt und musste vollständig evakuiert werden. „Dieser Ausbruch ist besonders bemerkenswert, da der Vulkan zuvor über 9.000 Jahre ruhig war“, berichtet Professor Donald Dingwell, Direktor des Departments für Geo- und Umweltwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). „Der letzte Ausbruch hat Schätzungen zufolge im Jahr 7240 vor Christus stattgefunden.“

Kristallränder als „Geschwindigkeitsmesser“

Zusammen mit dem Geologen Jonathan Castro von der Universität Orléans in Frankreich ist es Dingwell nun erstmals gelungen, die Geschwindigkeit zu errechnen, mit der das vulkanische Material während des Ausbruchs nach oben gestiegen sein muss. Dazu sammelten die Forscher während des Ausbruchs Proben des ausgeworfenen Bimssteins. Diese unterzogen sie im Labor in München verschiedenen Analysen, bei denen sie das Material unter hohem Druck auf bis zu 825 Grad Celsius erhitzten. Unter diesen Bedingungen bilden sich um das im Bimsstein eingeschlossene Feldspat –nach einer gewissen Zeit Auswachsungen im Form von Kristallränder aus.

Dingwell und Castro variierten nun Temperatur und Druck und erfassten jeweils die Zeit, die für die Entstehung der Ränder benötigt wird. „Das Interessante ist, dass wir bei den Gesteinsproben selbst keinen Kristallrand beobachten konnten“, berichtet Dingwell. „Daraus können wir schließen, dass das Material aus dem Vulkan so schnell aufgestiegen sein muss, dass die Zeit nicht ausreichte, um Kristallränder zu bilden.“

Beunruhigende Schnelligkeit der Magmaförderung

Das Ergebnis der Analysen überraschte die Forscher: Ihre Berechnungen ergaben, dass die Gesteinsbrocken innerhalb von nur vier Stunden aus dem Erdinneren bis zum Kraterrand des Vulkans aufgestiegen sein müssen. Daraus ergibt sich, dass sich das Material mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Meter pro Sekunde nach oben bewegt haben muss. In nur vier Stunden gelangte damit das Magma aus dem Inneren des Vulkans bis zur Oberfläche. „Dieses Ergebnis ist sehr beunruhigend. Es legt nahe, dass ein plinianischer Ausbruch mit ungeahnter Schnelligkeit stattfinden kann“, betont Dingwell. „Möglicherweise ist es in solchen Fällen unmöglich, rechtzeitig vor einem Ausbruch zu warnen – insbesondere dann, wenn die Unruheperiode vor dem Ausbruch sehr kurz ist.“

Aktivität unberechenbar

Genau dies war auch beim Ausbruch des Chaitén der Fall: Die Bewohner des Ortes Chaitén hatten am Abend des 30. April zum ersten Mal Erdbeben wahrgenommen. Einen Tag später kam es zum ersten Ascheregen über der Stadt – und bereits am 2. Mai folgte eine heftige Explosion, gefolgt vom Aufstieg der gewaltigen Aschewolke. „Das Problem bei solchen Unruheperioden ist, dass sie in einen Ausbruch münden können, es aber nicht zwangsläufig tun“, erläutert Dingwell. „Im Fall des Chaitén wusste man zwar, dass es sich um einen hoch explosiven Vulkan handelt. Man wusste aber nicht, wie sich ein solch gewaltiger Ausbruch ankündigen würde.“

Normalerweise werden vulkanische Aktivitätsmuster ausschließlich vor Ort beobachtet, zum Beispiel durch Geophysiker, die Erdbebenwellen messen, oder durch Geochemiker, die die auf dem Gebiet des Vulkans austretenden Dämpfe beobachten. „Unsere Untersuchung ist nun etwas völlig Neues und ergänzt die Beobachtungen vor Ort durch einen fundierten experimentellen und theoretischen Ansatz“, sagt Dingwell. „Dies ist unserer Meinung nach eine wichtige Ergänzung für die Erforschung von Vulkanen.“

(Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), 09.10.2009 – NPO)

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