Geowissen

Klimawandel unschuldig am Sauerstoffmangel der Ostsee

Rekonstruktion entlarvt Nährstoffeintrag durch den Menschen als Hautursache

Der Sauerstoffgehalt des Meerwassers in der Ostsee war noch nie niedriger als jetzt. Am Meeresboden breiten sich tote Zonen immer mehr aus. Aber dies ist nicht wie bisher angenommen eine Folge der Erwärmung, sondern vielmehr des erhöhten Einstroms von Nährstoffen und Dünger. Das zeigt eine Rekonstruktion der letzen 500 Jahre Klima- und Meeresentwicklung.

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85 Millionen Menschen leben im Einzugsgebiet der Ostsee und ihrer Zuflüsse. Sie beeinflussen den Ozean nicht nur direkt über Fischerei oder Schifffahrt, sondern auch indirekt: durch die ins Meer gespülten Reste von Düngemitteln und anderen nährstoffriechen Verbindungen. Wie stark dieser Einfluss ist, hat jetzt der Geowissenschaftler Daniel Hansson von der Universität von Kopenhagen im Rahmen seiner Doktorarbeit untersucht.

500 Jahre Klima- und Wasserbedingungen rekonstruiert

Mit Hilfe einer neuen Kombination von Methoden analysierte er Umwelt- und Klimaverhältnisse der Ostsee vom 16. Jahrhundert bis heute und rekonstruierte sie. Computermodelle erlaubten die detaillierte Analyse von Veränderungen in der Wassertemperatur, der Eisbedeckung, dem Zufluss aus Flüssen, dem Salzgehalt und den Sauerstoffkonzentrationen über 500 Jahre hinweg.

Sauerstoffmangel nie so hoch wie heute

Das Ergebnis: Die heutige Sauerstoffarmut ist einmalig und trat in keiner anderen Periode in vergleichbarem Ausmaß auf. Und dies, obwohl es mindestens zwei Zeitabschnitte gab, in denen die Temperaturen ähnlich hoch waren wie heute und auch die Eisbedeckung im Winter entsprechend niedrig. Nach Ansicht von Hansson deutet alles darauf hin, dass nicht das Klima, sondern der Mensch die Ursache für die Veränderungen im Sauerstoffgehalt ist.

Erhöhte Nährstoffzufuhr als Ursache

„Der Klimawandel hat bisher nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf den Sauerstoffmangel in der Ostsee”, erklärt Hansson. „Die Hauptursache des Sauerstoffmangels und den ausgedehnten toten Zonen am Meeresgrund sind stark angestiegenen Eintragungen von der Landwirtschaft und unbehandelten Abwässer.“ Insbesondere die seit Mitte des 20 Jahrhunderts gebräuchlichen künstlichen Düngemittel führten in den Daten zu einem scharfen Knick der Kurven.

„Wenn allerdings der Trend zu einer Erwärmung weiter anhält, dann übertrifft der Klimawandel auch die Variationen, die es in den letzen 500 Jahren gegebenen hat“, so der Forscher. Dann könnte die Erwärmung die Wirkung der bisherigen Überdüngung noch verstärken.

Dickes Meereis ermöglichte schwedische Invasion

Die Genauigkeit der Rekonstruktion ermöglichte es Hansson, sogar das Klima zu bestimmten historischen Daten zu ermitteln. So konnte er beispielsweise rekonstruieren, dass erst eine ungewöhnlich dicke Meereisbedeckung es dem König Karl X. Gustav von Schweden im Januar und Februar 1658 erlaubte, über die Ostsee in die damals dänischen Regionen Blekinge, Skåne, Halland und Bohuslän einzumarschieren und sie zu erobern.

(Universität Göteborg, 13.10.2009 – NPO)

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