Wie schaffen es die Orang-Utans, sich selbst im Gewirr der dichten und teilweise dünnen Äste des Waldes so schnell und sicher zu bewegen? Das haben jetzt britische Forscher aufgeklärt. An Orang-Utans auf Sumatra beobachteten sie, dass die Tiere verschiedene Bewegungsformen auf einzigartige Weise kombinierten und so auch gefährliches Schwanken und Fallen vermeiden konnten. Die Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) erschienen.
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Das dichte Astwerk der tropischen Regenwälder ist eine große Herausforderung für alle, die sich in den Kronen der Bäume bewegen. Vor allem größere Tiere, die dort auf Nahrungssuche sind, müssen ständig balancieren und das Schwanken der teilweise bedrohlich dünnen Äste ausgleichen. Ein Fall aus mehr als 30 Metern Höhe wäre fatal. Dennoch schaffen es beispielsweise die Orang-Utans, sich schnell und ohne Probleme im Blätterdickicht zu bewegen. Aber wie?
Wie vermeiden Orangs den „Millenniums-Effekt“?
Das wollten Wissenschaftler der Universität von Liverpool in England herausfinden. Sie interessierte vor allem, wie die Tiere den fatalen „Millenniums-Effekt“ vermeiden. Er ist benannt nach den Schwierigkeiten, die bei der schwankenden Millenniums-Brücke in London auftraten: „Die Probleme bei der Brücke wurden verursacht, weil große Menschenmengen auf ihr synchron zu den leichten Seitwärtsschwankungen liefen“, erklärt Robin Crompton, Professor für biomedizinische Forschung in Liverpool. Die regelmäßigen Bewegungsmuster der Fußgänger verstärkten das Seitwärtsschwingen der Brücke. „Ein ähnliches Problem existiert, wenn sich Tiere durch die Kronen der tropischen Regenwälder bewegen und dabei über hoch flexible Äste laufen.“
Zu groß für Schimpansen-Strategie
Die meisten Tiere, wie beispielsweise Schimpansen, reagieren auf diese Herausforderung, indem sie ihre Extremitäten beugen um ihren Körper näher an den Ast zu bringen. Orang-Utans aber sind die größten baumlebenden Tiere und haben daher aufgrund ihres Gewichts deutlich größere Schwierigkeiten. „Wenn sie sich wie ihre kleineren Verwandten auf regelmäßige Weise bewegen würden, hätten wir eine Situation wie bei einer schwankenden Brücke – die Schwingung der Äste verstärkt sich“, so Crompton.
Kombination vieler Bewegungsarten als Schlüssel
Die Forscher untersuchten das Verhalten von Orang-Utans auf Sumatra, um herauszufinden, wie sie diesen Millenniums-Effekt entgegensteuern- und wurden fündig: „Orang-Utans haben eine einzigartige Art entwickelt, um mit diesen Problemen fertig zu werden“, erklärt Susannah Thorpe. „Sie bewegen sich in einer unregelmäßigen Weise, die aufrechtes Gehen, vierbeiniges Herabhängen und freies Schwingen beinhaltet. Dadurch bewegen sie die Äste mit steigender Auslenkung gezielt hin und her, bis sie damit die großen Lücken zwischen Bäumen überwinden können.“
Diese Nutzung von Ästen als Werkzeug beim Schwingen von Baum zu Baum stellt nicht nur eine optimale Anpassung der Affen dar, sie könnte auch helfen, die Orang-Utans als Art zu erhalten. „Wenn die Zerstörung des Waldlandes nicht langsamer wird, könnte der Orang-Utan auf Sumatra innerhalb des nächsten Jahrzehnts ausgestorben sein“, so Thorpe. „Jetzt, wo wir mehr darüber wissen, wie sie sich durch die Bäume bewegen und sich an ihre Umwelt angepasst haben, verstehe wir ihre Bedürfnisse besser. Das könnte bei der Auswilderung von Affen in Wälder helfen.“
(University of Liverpool, 13.10.2009 – NPO)