Geowissen

Alpen wachsen und schrumpfen zugleich

Klimavariationen treiben Gebirgswachstum an

Unterhalb des Bernina-Gletschers in der Schweiz. © GFZ

Eigentlich dürften die Alpen nicht mehr wachsen, denn ihr tektonischer „Antrieb“ gilt als erlahmt. Doch tatsächlich wächst das Gebirge heute noch immer so schnell in die Höhe, wie es schrumpft. Dieses scheinbar paradoxe Resultat belegt eine Gruppe deutscher und schweizer Geowissenschaftler in der Fachzeitschrift „Tectonophysics“. Demnach wird die heutige Hebung der Alpen nicht durch Tektonik sondern durch starke Klimavariationen angetrieben.

Die Entstehung der Alpen durch die Kollision der beiden Kontinente Afrika und Europa begann vor etwa 55 Millionen Jahren. Dies führte zur Auffaltung des höchsten europäischen Gebirges, das seine große Höhe wahrscheinlich schon vor einigen Jahrmillionen erreichte. Doch diese tektonischen Prozesse sind heute extrem abgeschwächt, die Schweizer Alpen wachsen daher durch diesen tektonischen Prozess nicht mehr.

Und sie wachsen doch noch…

Schweizer Geodäten, die schon seit Jahrzehnten die Alpen mit allerhöchster Genauigkeit vermessen, haben nun festgestellt, dass Alpengipfel dennoch im Vergleich zum Flachland mit bis zu einem Millimeter pro Jahr aufsteigen. Über Jahrmillionen müsste sich eine beträchtliche Höhe ergeben. Doch warum sind dann die Alpen dann nicht so hoch wie das Himalaya? Forscher des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ konnten messen, dass die Berge mit fast genau der gleichen Geschwindigkeit gleichzeitig wieder abgetragen werden.

Isotop als Abtragungsmesser

„Diese Erosion der Berge ist nicht einmal mit den hochpräzisen Methoden der modernen Erdvermessung zu erfassen,“ erläutert Professor Friedhelm v. Blanckenburg vom GFZ das Problem. „Wir benutzen das seltene Isotop Beryllium-10, das in der Landoberfläche durch kosmische Strahlung

entsteht. Je schneller eine Oberfläche abgetragen wird, umso weniger Isotope dieser Art sind darin vorhanden.“ Dazu haben von Blanckenburg und GFZ-Wissenschaftlerin Hella Wittmann dieses „kosmogene“ Isotop im Sand schweizer Alpenflüsse und damit in den unmittelbaren Produkten der Erosion analysiert.

Schwindender Druck lässt Alpen aufsteigen

Wie kommt es nun, dass die Alpen genauso schnell abgetragen werden wie sie hochsteigen? „Hier sind reine Auftriebskräfte am Werk. Es ist wie bei einem Eisberg im Meer. Schmilzt die Spitze, steigt der Eisberg im fast denselben Betrag aus dem Wasser,“ erklärt von Blanckenburg. So ist die paradoxe

Situation der Alpen, dass sie durch Wind, Wasser, Gletscher und Bergstürze ständig von oben fein gemahlen und abgetragen werden, aber von unten, aus dem Erdmantel, ständig nachwachsen.

Dieses Phänomen, wenn auch längst theoretisch postuliert, wurde für ein gesamtes Gebirge nun jetzt erstmals nachgewiesen. So bewegen sich die Alpen stetig nach oben, obwohl sie im plattentektonischen Sinne fast für „tot“ erklärt werden können. Anstelle der Plattenkräfte sind es die starken Klimavariationen seit dem Anfang der so genannten quartären Kaltzeit vor ungefähr 2.5 Millionen Jahren, auf die gerade die Berghänge so besonders empfindlich durch Erosion reagieren. Das

hält die Alpen in Bewegung.

(Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum, 02.11.2009 – NPO)

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