Der Einsatz winzigster Silberpartikel in immer mehr Alltagsprodukten gefährdet die Wirkung des in der Medizin als wichtiges Antibiotikum verwendeten Silbers. Der wachsende Eintrag dieses so genannten „Nanosilbers“ in die Umwelt führt außerdem bei Menschen und Tieren zu bislang unbekannten Gesundheitsrisiken. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer gestern in Berlin veröffentlichten neuen Studie des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
{1r}
Danach können Nanoteilchen, die tausendmal kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haares, die Blut-Hirn- oder die Plazenta-Schranke überwinden und stehen im Verdacht, die Erbsubstanz von Lebewesen zu schädigen. In Tierversuchen traten Schäden an Leber- und Nervenzellen sowie Lungenschäden auf, so der BUND. Nanosilber ist das häufigste Nanomaterial in Alltagsprodukten. Die Verbraucher wissen jedoch kaum, wo es überall eingesetzt wird, so die Umwelt- und Naturschutzorganisation.
Gefahren nicht ausreichend erforscht
Heribert Wefers, BUND-Experte für Chemie und Nanotechnologie, erklärt: „Die hohe biologische Mobilität von Nanopartikeln und die damit verbundenen Gefahren für Mensch und Umwelt sind nur unzureichend erforscht. Die Bundesregierung muss deshalb handeln. Es muss aufhören, dass die Hersteller mit unhaltbaren Versprechungen über die angeblich so tollen Eigenschaften von Nanomaterialien immer mehr riskante Produkte auf den Markt bringen.“
Nanosilber wird als Zusatz zum Beispiel Farben und Kosmetika beigefügt und dient zur Beschichtung von Oberflächen. Es soll die Produkteigenschaften verändern und Haushaltsgegenstände sauberer machen. Verpackungen, die dafür sorgen sollen, dass Obst und Gemüse auch nach langer Lagerung frisch aussieht, angeblich keimtötende Computertastaturen oder geruchshemmende Socken und Unterwäsche, Kosmetika, Zahnbürsten, Wischtücher, Farben und Waschmaschinen – das ist nur eine Auswahl von Produkten, die Nanosilber enthalten.
300 Nanosilber-Produkte auf dem Markt
Mehr als 300 solcher Produkte sind bereits auf dem Markt, viele davon lassen sich über das Internet bestellen. Der BUND schätzt die Menge des in Deutschland pro Jahr eingesetzten Nanosilbers auf etwa eine Tonne. Bereits in wenigen Jahren könne es zehnmal so viel sein.
„Solange die Risiken für Umwelt und Gesundheit ungeklärt sind, muss die Bundesregierung ein Vermarktungsverbot für Alltagsprodukte mit Nanosilber verhängen. Außerdem müssen alle Produkte, die Nanomaterialien enthalten, deutlich gekennzeichnet werden. Die Käufer von Nano-Produkten im Unklaren zu lassen verstößt gegen elementare Regeln des Verbraucherschutzes und gefährdet die Umwelt“, sagt Wilfried Kühling, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des BUND.
Er forderte Bundesumweltminister Norbert Röttgen auf, bei der gegenwärtig laufenden Überarbeitung der EU-Biozid-Verordnung alle Nanomaterialien einer gesonderten Bewertung zu unterziehen.
Chemieindustrie handelt verantwortlich – sagt die Chemieindustrie
In einer ersten Stellungnahme zur BUND-Studie „Nanosilber, der Glanz täuscht“ sagte Gerd Romanowski vom Verband der Chemischen Industrie (VCI): „Die chemische Industrie geht verantwortungsvoll mit Nanomaterialien um. Das belegen zahlreiche eigene Sicherheitsprogramme der Unternehmen, ihre engen Kooperationen mit der Wissenschaft und ihre Mitarbeit in öffentlich geförderten Projekten wie NanoCare.“ Außerdem arbeite die Branche in dem kürzlich gestarteten Projekt „Umsicht“ zur Sicherheit von Nanosilber mit, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Die chemische Industrie engagiere sich zudem intensiv im Nano-Dialog der Bundesregierung.
„Für jedes Produkt wird eine Risikobewertung auf der Grundlage der gesetzlichen Anforderungen erstellt. Diese schließt eine Bewertung zum sicheren Umgang mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz, in der Lieferkette und möglicher Auswirkungen auf Verbraucher und Umwelt ein“, erläuterte Romanowski. Eine allgemeine Kennzeichnungspflicht sei nicht sinnvoll, da die Nanoskaligkeit eines Stoffes an sich keine Gefahreneigenschaft sei.
Nanotechnologie: Chance für Umwelt- und Ressourcenschonung?
Die vorhandenen deutschen und europäischen Gesetze zum Schutz für Mensch und Umwelt decken nach Ansicht des VCI auch Nanomaterialien ab. Um die Gesetze sachgerecht auf Nanomaterialien anzuwenden, hat der VCI nach eigenen Angaben mehrere Leitfäden für seine Mitgliedsunternehmen erstellt – so zum Beispiel zur Registrierung von Nanomaterialien unter REACH, zur Risikobewertung, zur Informationsweitergabe in der Lieferkette, zur Sicherheitsforschung und zur Entsorgung von Abfällen, die Nanomaterialien enthalten. Außerdem führen die Unternehmen der chemischen Industrie die Sicherheitsforschung bei Nanomaterialien weiter fort.
„Bei der Diskussion über die Sicherheit von Nanomaterialien dürfe man die vielfältigen Chancen der Nanotechnologie für die Umwelt- und Ressourcenschonung nicht aus den Augen verlieren“, machte Romanowski deutlich. So kann man mit Hilfe der Nanotechnologie organische Leuchtdioden herstellen, die Strom ohne große Wärmeerzeugung in Licht umwandeln und so zum Energiesparen beitragen. Eine wichtige Rolle wird die Nanotechnologie auch bei der Entwicklung von Materialien für Solarzellen mit immer höherem Wirkungsgrad spielen, so der VCI.
(BUND/Verband der Chemischen Industrie (VCI), 03.12.2009 – DLO)