Mammuts und Urpferde könnten die Steppen Nordamerikas mehrere tausend Jahre länger besiedelt haben als bisher angenommen. Das zeigt eine Analyse von DNA aus dem Permafrostboden Zentral-Alaskas. Demnach lebten noch vor 7.600 Jahren beide Großsäugetiere in dieser Region. Die in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlichte Studie wirft damit ein neues Licht auf das noch immer nicht endgültig geklärte Aussterben der so genannten Megafauna Nordamerikas.
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Am Ende des Pleistozäns, der geologischen Epoche, die vor rund 2,5 Millionen Jahren begann und vor 12.000 Jahren mit dem Ende der letzten Eiszeit endete, gibt es eine deutliche Veränderung in der Tierwelt: Große Säugetiere wie das Mammut, das Riesenfaultier, die Säbelzahnkatze oder der Hirschelch verschwinden plötzlich. Nach dieser Zeit gibt es keine fossilen oder lebenden Funde mehr von ihnen. Besonders auffallend ist dieser Einschnitt in Nordamerika, wo auch die eiszeitlichen Vorfahren der Pferde vollständig ausstarben. Die jüngsten Fossilfunde von Mammuts oder Wildpferden in Nordamerika wurden auf 13.000 bis 15.000 Jahre datiert.
Allerdings ist strittig, inwieweit die generelle Seltenheit von Wirbeltierfossilien den angenommenen Aussterbezeitpunkt möglicherweise verfälscht. Denn gerade von größeren Tieren werden nur sehr wenig Knochen gefunden und diese sind oft stark zersetzt, so dass ihre Datierung schwierig ist. Einen ganz neuen Weg hat nun ein internationales Forscherteam, unter anderem von Wissenschaftlern der Universität von Kopenhagen, der Universität von Wollongong in Australien, der Universität von Alberta in Kanada und des American Museum of Natural History in New York beschritten.
DNA nicht aus Knochen sondern aus „Dreck“
Die Wissenschaftler entschieden sich, die Frage der „letzten Überlebenden“ durch DNA-Proben nicht aus Knochen sondern direkt aus dem Sediment zu klären. Vorherige Studien haben gezeigt, dass der dauerhaft gefrorene Permafrostboden des hohen Nordens kleine Fragmente von tierischer und pflanzlicher DNA ungewöhnlich gut konserviert, selbst in kompletter Abwesenheit von sichtbaren organischen Relikten.
„Im Prinzip kann man einfach eine Prise Dreck nehmen und wenn man Glück hat, entdeckt man eine erstaunliche Menge an forensischen Belegen, die verraten, welche Arten in dieser Landschaft zu dieser Zeit existierten“, erklärt Eske Willerslev, Leiter des Zentrums für GeoGenetic an der Universität von Kopenhagen. „Die Nutzung von urzeitlicher DNA eröffnet die Möglichkeit, das vergangene Leben der letzten 400.000 Jahre zu beproben, ohne auf Skelett- oder andere Makrofossilienfunde von ausgestorbenen Tierarten angewiesen zu sein.“
Für die DNA-Proben sammelten die Forscher Bohrkerne aus Sediment am Ufer des Yukonflusses in Alaska. Unabhängig voneinander und mit zwei unterschiedlichen Methoden wurden dann Pflanzenrelikte und Mineralien aus den Sedimentschichten datiert. Dadurch sollte zum einen eine genaue Datierung der gefundenen DNA sichergestellt werden. Zum anderen wollten die Wissenschaftler sicher gehen, dass das Sediment tatsächlich die Zeiten unberührt und geschützt durch den Frost überdauert hat.
Mammut-DNA noch in 7.600 Jahre altem Sediment
Die Auswertung der DNA aus dem Sediment zeichnete ein klares Bild der lokalen Fauna am Ende der letzen Eiszeit. Die ältesten Ablagerungen, rund 11.000 Jahre alt, enthalten DNA-Reste von Polarhasen, Bisons und Elchen. Alle drei Tiere fanden sich auch in jüngeren Schichten, wie zu erwarten war, da sie bis heute in dieser Region vorkommen. Entscheidend jedoch war ein Bohrkern, der Sediment von vor 10.500 bis vor 7.600 Jahren umfasste. Denn in ihm fanden die Wissenschaftler sowohl Mammut-DNA als auch Erbgutreste von Wildpferden.
Die Wissenschaftler speisten diese Daten und die Daten anderer Studien und Fossilfunde in ein statistisches Modell ein, das ihnen erlaubte abzuschätzen, wie sich die Mammut- und Pferdepopulationen der damaligen Zeit entwickelt haben. Demnach waren vor rund 8.000 Jahren nur noch wenige hundert Individuen übrig geblieben.
Letzte Zuflucht für Restpopulationen in Alaska?
„Zu diesem Zeitpunkt hielten Mammuts und Pferde nur noch so gerade durch. Wir könnten hier die DNA einiger der letzten Tiere dieser Arten in Nordamerika haben”, erklärt Permafrostexperte Duane Froese von der Universität von Alberta. Denn die flachen Feuchtgebiete entlang des Yukon, der mehrfach seinen Lauf veränderte, boten damals reichlich hochwertiges Futter. Für große Säugetiere könnten sie daher eines der letzten Refugien in der sich nach der Eiszeit verändernden Landschaft gewesen sein. „Es könnte noch eine Handvoll ähnliche Orte in Alaska gegeben haben, in denen kleine Restpopulationen überdauerten“, so Froese.
In jedem Fall deuten die neuen Ergebnisse darauf hin, dass Mammut und Wildpferd ein paar tausend Jahre länger in Nordamerika überlebt haben könnten, als bisher auf Basis von Fossilienfunden angenommen. „Wir wissen nicht, wie lange es dauert, eine Art auszulöschen”, erklärt Ross MacPhee, Kurator der Säugetierabteilung im American Museum of Natural History. „Aussterbeereignisse erscheinen in den Fossilfunden oft dramatisch und plötzlich, aber unsere Studie liefert eine Vorstellung davon, wie ein Aussterben in Echtzeit tatsächlich aussehen könnte: mit gefährdeten Arten, die in immer kleiner und kleiner werdenen Populationen überdauern, bis sie schließlich völlig verschwinden.“
(American Museum of Natural History, 23.12.2009 – NPO)