Ein zuvor unbekanntes Frostschutzmittel ermöglicht es einem Käfer, Temperaturen von bis zu minus 75°C unbeschadet zu überstehen. Das Besondere daran: Das jetzt neu entdeckte Molekül enthält so gut wie kein Protein und unterscheidet sich damit von allen bisher identifizierten biologischen Stoffen mit Antifrostwirkung. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten, wirkt das Mittel vermutlich direkt an der Zellmembran.
Es gibt in der Natur zahlreiche Tiere, die sich an extreme Kälte angepasst haben und die selbst ein Gefrieren problemlos überleben können. Schutz bieten ihnen biologische Frostschutzmittel, spezielle Moleküle, die entweder verhindern, dass sich Eiskristalle bilden, oder die die entstehenden Eiskristalle so klein und rund halten, dass sie keine Gewebe verletzen können. Häufig sorgen diese Substanzen auch dafür, dass zwar Körperflüssigkeiten außerhalb der Zellen gefrieren, aber nicht der Zellinhalt selbst.
Überleben bis minus 75°C
Jetzt sind Biologen der Universität von Alaska in Fairbanks auf einen in Alaska beheimateten Käfer gestoßen, der ein äußerst ungewöhnliches Frostschutzmittel in sich birgt. Der Käfer Upis ceramboides gehört zu den Insekten, die ein Gefrieren der extrazelluären Flüssigkeiten ohne Probleme tolerieren. Dies geschieht bei rund minus 28°C. Im Labor lässt er sich jedoch bis auf minus 75°C herunterkühlen, ohne dass er Schäden davon trägt.
Bei der Analyse seiner chemischen Komponenten stießen der Zoophysiologe Brian Barnes und sein Kollege Todd Sformo auf eine bisher unbekannte Substanz, die sich als potentes Frostschutzmittel entpuppte. Dieses Xylomannan getaufte Molekül besteht vorwiegend aus einem Zucker und einer Fettsäure. Das ist überraschend, denn alle bisher bekannten biologischen Frostschutzmittel enthalten vorwiegend Proteine.
Gezielter Membranschutz?
„Das Aufregendste an dieser Entdeckung ist die Tatsache, dass dieses Molekül eine völlig neue Art von Frostschutzmitteln darstellt, das anders und in der Zelle auch woanders wirkt“, erklärt Barnes, Leiter des Instituts für arktische Biologie der Universität. Doch möglicherweise ist genau diese ungewöhnliche Zusammensetzung auch der Schlüssel zu seiner Wirkungsweise. Denn die Forscher stellten fest, dass die Fettsäure im Xylomannan derjenigen entspricht, die auch in den Zellmembranen eingebaut ist.
Diese Ähnlichkeit, so Barnes, könnte es dem Molekül erlauben, quasi Teil der Membran zu werden und die Zelle so besonders effektiv vor einer Eiskristallbildung in ihrem Inneren zu bewahren. Doch noch ist dies nicht viel mehr als eine Vermutung. Ob sie stimmt, müssen weitere Untersuchungen nun zeigen. „Es liegen viele schwierige Studien vor uns, um herauszufinden, wie verbreitet dieses biologisches Frostschutzmittel ist, wie es das Gefrieren verhindert und wo es genau wirkt“, so Barnes.
(Institute of Arctic Biology, 30.12.2009 – NPO)