Astronomie

Kosmische Schwarze Witwe verdampft Sternpartner

Radioastronomen spüren ungewöhnlichen Millisekunden-Pulsar auf

Position des mit dem 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg neu entdeckten Millisekunden-Pulsars, markiert auf einer Himmelskarte, die der Gammastrahlensatellit Fermi erstellt hat. © NASA / DOE / Fermi LAT Collaboration

Bonner Max-Planck-Forscher haben mit dem 100-Meter-Teleskop in Effelsberg einen ungewöhnlichen Millisekunden-Pulsar aufgespürt: Der schnell rotierende Neutronenstern scheint gerade dabei zu sein, seinen Begleitstern zu verdampfen. Er trägt die vorläufige Bezeichnung PSR J1745+10 und wurde auf der Position einer mit dem Weltraumobservatorium Fermi entdeckten Gammastrahlungs-Punktquelle gefunden.

Pulsare sind Neutronensterne, die bei der Explosion von massereichen Sonnen als Supernovae entstehen. Diese Sterne geben entlang ihrer Magnetpole gebündelte Radiostrahlung ab. Weil die magnetische Achse gegen die Rotationsachse geneigt ist, überstreicht der Strahlenkegel einmal pro Umdrehung die Erde, das heißt, der Stern blinkt regelmäßig wie ein Leuchtturm. Bis heute kennt man rund 2.000 Pulsare, die überwiegend mithilfe von Radioteleskopen entdeckt wurden.

Hohe Drehzahl

Mit einer Rotationsdauer von typischerweise unter zehn Millisekunden besitzen manche dieser Pulsare eine sehr hohe Drehzahl. Außerdem „ticken“ sie extrem präzise: Ihre Rotationsstabilität lässt sich mit dem Gang der genauesten Atomuhren vergleichen.

Bei diesen Objekten handelt es sich um so genannte recycelte Pulsare – also Neutronensterne, die sich zunächst sehr langsam um ihre eigene Achse gedreht haben, dann aber durch den Materiefluss von einem Begleitstern in ihrer Rotation nahezu 1000-fach beschleunigt wurden. Am Ende dieses Prozesses steht ein Doppelsternsystem aus einem Millisekunden-Pulsar und einem Weißen Zwerg.

Das jetzt gefundene Objekt PSR J1745+10 ist ein besonders schnell rotierender Pulsar, der sich in nur 2,65 Millisekunden einmal um seine Achse dreht. „Das sind fast 23.000 Umdrehungen pro Minute, also deutlich mehr als der Motor eines Formel-1-Rennwagens“, erklärt Lucas Guillemot, Fermi-Wissenschaftler im Bonner Team des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie. Der Neutronenstern und sein Begleiter bewegen sich in weniger als 18 Stunden um den gemeinsamen Schwerpunkt.

Leichter Begleiter

Der Begleiter scheint extrem leicht zu sein und zu jenen etwa 20 bekannten Systemen zu gehören, bei denen die Masse des Pulsar-Partners nur wenige Hundertstel einer Sonnenmasse beträgt. Daher, so vermuten die Forscher, wird die hochenergetische Strahlung des Pulsars den Begleiter mit der Zeit vollständig verdampfen. „Schwarze Witwe“ nennen die Astronomen passenderweise einen solchen Neutronenstern.

„Das ist fast ein wenig undankbar, da der Begleiter den Millisekunden-Pulsar erst durch die Massenübertragung auf hohe Drehgeschwindigkeiten gebracht hat“, sagt Michael Kramer, Leiter der Forschungsabteilung. „Nach der kompletten Verdampfung des Partners existiert der Pulsar als Einzelstern weiter.“

Forscher wollen 500 neue Pulsare finden

Am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie wurde im Jahr 2009 ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem mindestens 500 neue Pulsare entdeckt werden sollen. Dabei verfolgen die Forscher zwei Strategien. Die erste ist ein so genannter All-Sky-Survey, für den das 100-Meter-Radioteleskop bei einer Wellenlänge von 21 Zentimetern den gesamten nördlichen Himmel absucht. Der Empfänger sowie auch das angeschlossene Instrument wurden am Institut entwickelt. Sie können mit hoher Zeitauflösung sieben benachbarte Positionen am Firmament beobachten.

Die anfallende Datenmenge, die nach Pulsar-Signalen durchsucht werden muss, stellt selbst für modernste Computersysteme eine gewaltige Herausforderung dar. Dazu erarbeiten die Wissenschaftler in enger Zusammenarbeit mit ihren Kollegen am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik Lösungen, etwa wie sich mit dem Projekt „Einstein@Home“ die nötigen Rechenkapazitäten erzielen lassen.

Bald direkter Nachweis von Gravitationswellensignalen?

Ein Hauptziel dieses Projekts ist es, eine genügende Zahl an Millisekunden-Pulsaren zu finden, durch die ein direkter Nachweis von Gravitationswellensignalen möglich wird. Diese wellenförmigen Verzerrungen des Raumes führen nämlich zu kleinen Schwankungen in den Ankunftszeiten der Pulsar-Signale, die mit Hilfe der größten verfügbaren Radioteleskope der Erde nachweisbar sein sollten.

Dazu Bruce Allen vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover: „Tatsächlich könnten die Pulsar-Forscher das weltweite Rennen um die erste direkte Detektion von Gravitationswellen gewinnen. Es wird spannend!“

Radioteleskope erforschen Punktquellen

Parallel dazu verfolgen die Forscher eine zweite Strategie. Der im Juni 2008 gestartete Gammastrahlensatellit Fermi hat eine Reihe von Punktquellen entdeckt, bei denen es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Neutronensterne handelt. Diese Punktquellen werden derzeit mit den größten Radioteleskopen der Welt systematisch nach pulsierenden Radiosignalen abgesucht – 17 davon wurden bereits als Pulsare identifiziert.

Seit kurzem beteiligt sich auch das Forschungsteam von Kramer an dieser Suche und konnte bereits nach wenigen Wochen den ersten Erfolg vermelden. „Wir sind erst am Anfang, aber trotzdem: Bingo – da geht uns ein Pulsar ins Netz“, sagt Ewan Barr, der das neue Objekt am 29. Januar 2010 in seinen Daten entdeckt hat. Der Pulsar, dessen Name PSR 1745+10 seine Position am Himmel widerspiegelt, steht im Sternbild Ophiuchus (Schlangenträger).

(idw – MPG, 22.02.2010 – DLO)

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