Ein 400 Millionen Tonnen schwerer Eisberg hat das Schelfeis der Antarktis in der Nähe der Neumayer-Station III gerammt. Und dies gleich mehrfach. Bei dem gewaltigen Crash brach ein Stück aus der Schelfeiskante heraus und es entstanden lange Risse im Eis – zum Teil noch in größerer Entfernung.
Auf hoch aufgelösten Aufnahmen des deutschen TerraSAR-X-Satelliten ist der Moment der Kollision zwischen dem 54 Kilometer langen, fünf Kilometer breiten und etwa 200 Meter dicken „Koloss“ B15-K und dem so genannten Ekström-Schelfeis genau zu erkennen.
Neue Erkenntnisse über die Mechanik des Eises?
Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung um Lars Kindermann haben zudem den immensen Unterwasserlärm des Aufpralls und die Reaktion von Robben und Walen mit dem akustischen Observatorium PALAOA aufgezeichnet. Weitere Informationen steuerten die Seismometer des geophysikalischen Observatoriums an der Neumayer-Station III bei.
Die einzigartige interdisziplinäre Datengrundlage aus Fernerkundung, Geophysik, Meteorologie, Ozeanografie und Ozeanakustik könnte den Forschern neue Erkenntnisse über die Mechanik des Eises und die Rissausbreitung im Schelfeis liefern.
Vorgang präzise rekonstruiert
Mithilfe der Messdaten haben es die Wissenschaftler zudem geschafft, den ungewöhnlichen Zusammenstoß präzise zu rekonstruieren: Danach prallte B15-K am 11. Februar 2010 um 16:42 Uhr Weltzeit auf die Eiskante des Ekström-Schelfeises an der Atka-Bucht.
Die Wucht der mehrfachen Kollision innerhalb von neun Stunden brach ein 300 Meter breites und 700 Meter langes Stück Schelfeis heraus. Die Energie eines jeden Aufpralls entsprach einer Sprengstoffmenge zwischen etwa fünf und zehn Tonnen.
Ein „Ableger“ des größten je beobachteten Eisbergs
B15-K ist nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler ein Bruchstück des größten je beobachteten Eisbergs B15, der sich mit einer ursprünglichen Fläche von 11.000 Quadratkilometern im März 2000 vom Ross-Schelfeis gelöst hatte. Ein weiterer „Ableger“ von B15, B15-F, trieb bereits Mitte Januar nah an der Schelfeiskante vor der Neumayer-Station III vorbei.
Die großen Eisberge wanderten nach Angaben der AWI-Forscher zuvor mithilfe einer küstennahen Strömung gegen den Uhrzeigersinn um die Antarktis und erreichten schließlich die 9.000 Kilometer vom Ross-Schelfeis entfernte Eiskante des Ekström-Schelfeises.
Radarsatelliten zeichnen Weg der Eisberge auf
Radarsatelliten zeichneten dabei ihre Wege auf. Der ENVISAT (Environmental Satellite) der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA liefert regelmäßig Bilder mit einer räumlichen Auflösung von 150 mal 150 Meter. Christine Wesche aus der Erdbeobachtungsgruppe des Alfred-Wegener-Instituts wertet solche Szenen aus.
„Zusätzlich nutzen wir Bilddaten der TerraSAR-X Hintergrundmission Antarktis des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)“, erklärt Wesche. In enger Kooperation mit Angelika Humbert vom KlimaCampus der Universität Hamburg und Robert Metzig vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum verfolgt sie die Wege der Eisberge seit Beginn des antarktischen Winters.
(idw – Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 23.02.2010 – DLO)