Winzige Würmer dienen der Mikrobe Photorhabdus luminescens als „Taxi“, um in Insektenlarven zu gelangen. Da sie die Larven töten, werden die Nematoden mit den Bakterien auch als Insektizid eingesetzt. So weit so gut. Doch wie die Gifte des Keims genau wirken, war bisher ungeklärt. Doch jetzt ist es Wissenschaftlern gelungen, den Mechanismus der biologischen Insektizide erstmals im Detail zu entschlüsseln.
Danach sind bestimmte Untereinheiten des Toxinkomplexes maßgeblich daran beteiligt, die essenziellen Abwehrreaktionen von Immunzellen zu hemmen. Der gleiche Vorgang wirkt auch bei einigen für Menschen gefährlichen Keimen wie dem Erreger von Lungen- und Beulenpest, schreiben die Forscher um Professor Hans Georg Mannherz von der Ruhr-Universität Bochum (RUB) und dem Max-Planck-Institut für Molekulare Physiologie zusammen mit Kollegen aus Freiburg und den USA in „Science“.
Würmer bringen Bakterien ans Ziel
Photorhabdus luminescens lebt symbiotisch mit Nematoden. Die winzigen Würmer dringen durch natürliche Öffnungen in Insektenlarven ein, wo sie die Bakterien gewissermaßen wieder „herauswürgen“. Bakterielle Toxine, die vom Licht-emittierenden Keim produziert werden, töten die Insektenlarven und schaffen dadurch ein großes Nahrungsreservoir für die Vermehrung von Nematoden und Bakterien.
Zwei Untereinheiten des Toxinkomplexes sind biologisch aktiv
Photorhabdus luminescens produziert verschiedene Gifte, die große Toxin-Komplexe (Tc-Proteine) bilden. Der biologisch aktive Komplex besteht dabei aus den drei Komponenten TcA, TcB und TcC. Bis heute ist weder eine enzymatische Aktivität noch ein Wirkungsmechanismus für diese Toxine beschrieben worden.
Die Freiburger Forscher um Professor Klaus Aktories und Professor Gudula Schmidt untersuchten deshalb zusammen mit Forschern der Firma Dow AgroSciences in den USA und Mannherz die Wirkungen der Toxine auf Insekten- und Säugetierzellen. Dabei konnten sie zeigen, dass die biologische Aktivität in den TcC-Komponenten TccC3 und TccC5 lokalisiert ist. Die beiden Toxinkomponenten sind Enzyme, die essenzielle Abwehrfunktionen von Immunzellen hemmen, zum Beispiel die Phagozytose von Bakterien.
Toxine wirken auf zwei Wegen
Die Toxine wirken dabei auf zwei unterschiedlichen Wegen auf die Zielzellen der Insektenlarven. TccC3 modifiziert das Zytoskelettprotein Aktin – ADP-ribosylierung – derart, dass es sich der Kontrolle des Regulatorproteins Thymosin ß4 entzieht. Dies führt zu einer starken Verkettung des Aktins. Das zweite Toxin, TccC5, verändert so genannte Rho-Proteine, die Schalterproteine für die Regulation des Aktinzytoskeletts sind.
Normalerweise werden diese Regulatoren in der Zelle an- und wieder ausgeschaltet. TccC5 modifiziert nach Angaben der Wissenschaftler den Schalter, wodurch das Ausschalten blockiert wird. Das permanent aktive Rho-Protein fördert wiederum die Polymerisation von Aktin. Beide Toxine zusammen führen zu einer starken Aggregation bis Verklumpung des Aktinzytoskeletts, die mit der normalen zellulären Funktion oder Immunabwehr unvereinbar ist. Damit die Toxine TccC3 und TccC5 in die Insektenzellen gelangen können, wird TcA gebraucht, das Poren in Wirtszellen bildet, durch die wahrscheinlich die Toxine ins Zellinnere geschleust werden.
Entscheidende Erkenntnisse für das Verständnis von Tc-Proteinen
Tc-Proteine wurden auch in humanpathogenen Bakterien wie beispielsweise Yersinia pseudotuberculosis und Yersinia pestis identifiziert. „Daher ist die Aufklärung des molekularen Mechanismus der prototypischen Tc-Proteine von entscheidender Bedeutung für das Verständnis anderer Tc-Proteine aus insektiziden und humanpathogenen Bakterien“, erklärt Mannherz.
(idw – Ruhr-Universität Bochum, 26.02.2010 – DLO)