Anhaltende Klimaschwankungen waren vermutlich der Hauptgrund für das Aussterben der Dinosaurier und anderer Lebewesen vor 65 Millionen Jahren. Zu diesem Schluss ist jetzt ein Berliner Paläontologe anhand seiner neuesten Forschungsergebnisse gekommen.
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Er stellt damit eine vor kurzem im Wissenschaftsmagazin „Science“ veröffentlichte Untersuchung in Frage. Diese hatte erneut die nunmehr fast 30 Jahre alte These vertreten, ein Meteoriten-Einschlag im Gebiet nahe der mexikanischen Halbinsel Yucatan sei alleiniger Verursacher eines der fünf größten Massenaussterben in der Erdgeschichte.
Nach den Ergebnissen von Michael Prauss von der Freien Universität jedoch war der Einschlag vielmehr nur das letzte katastrophale Ereignis in einer Kette von beträchtlichen Umweltstörungen, maßgeblich verursacht wahrscheinlich durch die über einige Millionen Jahre anhaltende Aktivität des Deccan-Vulkanismus nahe des damaligen indischen Kontinents.
Bohrkerne und Gesteinsprofile untersucht
„Der damit einhergehende Dauerstress, zu dem letztlich natürlich auch der Meteoriteneinschlag einen Beitrag geleistet hat, dürfte grundlegend gewesen sein für die Krise in der Biosphäre und das schließlich eintretende Massenaussterben“, so Prauss.
Indizien für seine These hat Prauss zusammen mit Professorin Gerta Keller von der Princeton University, USA, bei der Analyse mehrerer Bohrkerne und Gesteinsprofile aus dem erweiterten Kreide-Paläogen-Grenzbereich von Brazos River im US-Staat Texas gefunden. Die Untersuchungsregion liegt rund 1.000 Kilometer nordwestlich des Chicxulub Einschlag-Kraters und ist in Fachkreisen berühmt für seine außergewöhnlich vollständige Überlieferung der Oberkreide-Sedimente.
Mikrofossilien führen Forscher auf die Spur
Anhand einer umfassenden Untersuchung des Auftretens und der Verbreitung organischer Mikrofossilien wie Algenzysten, Pollen und Sporen von Landpflanzen konnte Prauss zeigen, dass lange vor dem Meteoriten-Einschlag erhebliche Schwankungen im Ökosystem der Oberkreide eingesetzt haben. Dies geht aus den neuesten Ergebnissen zur Mikropaläontologie sowie Isotopen-Geochemie hervor, die auf beträchtliche Klimaschwankungen verweisen, unter anderem verbunden mit Schwankungen des Meeresspiegels sowie der marinen Algenproduktivität.
Auch die Gleichsetzung von Meteoriteneinschlag und Position der Kreide-Paläogen-Grenze erscheint laut Prauss fragwürdig: „Der eigentliche Einschlag fand deutlich vor der geochemisch sowie mikropaläontologisch definierten Kreide-Paläogen-Grenze statt.“ Er belegt dies mit der Position des so genannten „fern spike“, einer deutlichen Erhöhung der Anteile an Farnsporen, verursacht durch die Pionierphase von Farnpflanzen im Zuge der Neubesiedelung zerstörter Ökosysteme. Der fern spike tritt in allen Gesteinsprofilen des untersuchten Areals deutlich vor dem Auftreten wichtiger stratigrafischer Indizien für das Paläogen in Erscheinung.
Widersprüchliche Ergebnisse
Die neuen Ergebnisse stellen somit die Studie eines internationalen Wissenschaftlerteams in Science vom 5. März 2010 in Frage, die in einer Zusammenfassung der Kreide-Paläogen-Problematik den Meteoriten-Einschlag als alleinigen Verursacher des Massen-Aussterbens sehen.
Dabei wird das Auftreten größerer Schwankungen innerhalb des Ökosystems der Kreide vor dem Einschlag verneint und der Einschlag-Event zeitlich gleichgesetzt mit der biostratigrafischen Kreide-Paläogen-Grenze. „Beides muss angesichts der neuen Untersuchungsergebnisse zumindest bezweifelt werden“, sagt Prauss.
(idw – Freie Universität Berlin, 22.03.2010 – DLO)