Astronomie

Junges Universum: Sternfabriken liefen im Akkord

APEX gelingt erste Nahaufnahme von Sternbildungsstätten im frühen Kosmos

Künstlerische Darstellung der weit entfernten Galaxie SMM J2135-0102 mit ihren Sternentstehungsregionen © M. Kornmesser / ESO

Astronomen haben bei der Beobachtung eines massereichen Galaxienhaufens eine neue und außergewöhnlich helle Galaxie im frühen Universum entdeckt, in der Sterne wie unsere Sonne bis zu 100 Mal schneller entstehen als in der modernen Milchstraße. Ihr Licht hat zehn Milliarden Jahre benötigt, um uns zu erreichen. Wir sehen die Galaxie heute deshalb so wie sie vor zehn Milliarden Jahren war – „nur“ drei Milliarden Jahre nach dem Urknall. Die Forscher schließen daraus, dass die Galaxien des frühen Universums Stätten äußerst aktiver, geradezu hektischer Sternentstehung waren.

Die mit dem Atacama Pathfinder Experiment (APEX) in den chilenischen Anden, einem Teleskop für Submillimeterwellenlängen, aufgespürte Galaxie hat den Namen SMM J2135-0102 erhalten und ist deutlich weiter entfernt als der Galaxienhaufen. In ihrem Inneren werden kosmische Staubteilchen von Sternenlicht aufgeheizt, leuchten hell auf und machen SMM J2135-0102 so zur hellsten weit entfernten Galaxie am Submillimeterhimmel.

Natürliches Teleskop mit 32facher Vergrößerung

„Wir hatten überhaupt nicht damit gerechnet, an dieser Stelle des Himmels ein derart ungewöhnlich helles Objekt zu finden. Wie sich schnell herausstellte, handelt es sich um eine weiter entfernte und bis dahin unbekannte Galaxie, deren Bild von dem näher gelegenen Galaxienhaufen vergrößert wird“, so Carlos De Breuck von der Europäischen Südsternwarte ESO, ein Mitglied des Wissenschaftlerteams, das die Galaxie untersucht hat in der Online-Ausgabe von „Nature“.

Dass die neu entdeckte Galaxie SMM J2135-0102 so hell erscheint, ist nach Angaben der Astronomen allein dem im Vordergrund liegenden, massiven Galaxienhaufen zu verdanken. Dessen gewaltige Masse wirkt als so genannte Gravitationslinse und lenkt das Licht der weiter entfernten Galaxie so ab, dass wir die Galaxie dadurch – ähnlich wie beim Blick durch ein Teleskop – aufgehellt und vergrößert sehen. Dass Galaxienhaufen und Galaxie exakt so angeordnet sind, dass sie als Gravitationslinse wirken ist allein dem Zufall zu verdanken. Den Wissenschaftlern beschert dies ein natürliches Teleskop mit 32facher Vergrößerung.

Der Galaxienhaufen MACS J2135-010217 und die Galaxie SMM J2135-0102 © ESO/APEX/M. Swinbank et al.; NASA/ESA Hubble Space Telescope & SMA

Details in einzelnen Staubwolken ausgemacht

„Dank des Vergrößerungseffektes werden unglaublich viele Details der Galaxie sichtbar – und das, obwohl diese Galaxie so weit entfernt ist, dass ihr Licht rund zehn Milliarden Jahre lang unterwegs ist, bevor es uns erreicht“, erklärt Mark Swinbank von der Universität Durham. „Wir haben die Galaxie anschließend mit dem Submillimeter Array auf Hawaii genauer untersucht, und konnten dabei sogar die Details in einzelnen der Staubwolken ausmachen, in denen Sterne entstehen.“

Dank der Vergrößerung wird es möglich innerhalb der Galaxie Sternentstehungs-Wolken bis zu einer Größe von nur wenigen hundert Lichtjahren auszumachen. Das ist nur wenig größer als die größten derartigen Wolken innerhalb unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. Ohne die Hilfe der Gravitationslinse läge solcher Detailreichtum weit jenseits des Leistungsvermögens heutiger Teleskope.

Erst zukünftige Geräte wie ALMA, das Atacama Large Millimeter/submillimeter Array, das derzeit auf derselben Hochebene errichtet wird, auf der auch APEX seinen Standort hat, können eine vergleichbare Detailschärfe auch ohne kosmische Hilfestellung erreichen. Der Zufallsfund ist daher für die Astronomen eine einzigartige Vorschau darauf, was bereits in wenigen Jahren mit ALMA möglich sein wird.

Die Gravitationslinsenwirkung von MACS J2135-010217 auf SMM J2135-0102 © NASA/ESA Hubble Space Telescope

„Sternfabriken“ in SMM J2135-0102

Die „Sternfabriken“ in SMM J2135-0102 sind zwar ähnlich groß wie die Sternentstehungsgebiete der Milchstraße, aber einhundert Mal heller. Das deutet darauf hin, dass weit entfernte Galaxien – die wir dementsprechend in vergleichsweise frühen Entwicklungsstadien sehen – in punkto Sternentstehung ungleich aktiver sind als Galaxien, die uns räumlich und zeitlich näher stehen. Insgesamt erinnern die Wolken in SMM J2135-0102 stark an die innersten und dichtesten Bereiche ähnlicher Wolken in unserer kosmischen Nachbarschaft, so die Wissenschaftler.

„Wir schätzen, dass in SMM J2135-0102 jedes Jahr Sterne mit insgesamt rund 250 mal der Masse der Sonne entstehen“, ergänzt de Breuck. „Sternentstehung in derart großen Staubwolken läuft zwar anders ab als in unserer unmittelbaren Umgebung, aber unsere Beobachtungen legen nahe, dass man die Physik, die den dichten Kerngebieten der Sternkinderstuben in benachbarten Galaxien zugrundeliegt, auf die Sternentstehung in diesen viel weiter entfernten Galaxien übertragen können sollte.“

(idw – Max-Planck-Institut für Astronomie, 23.03.2010 – DLO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Krebszellen und NA-Ring

"Geheimwaffe" hartnäckiger Krebszellen enthüllt

Energierekord für kosmische Elektronen

Explosiver Samenauswurf bei Spritzgurken

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Big Eyes - Riesenteleskope und die letzten Rätsel im Kosmos

Bücher zum Thema

Verborgenes Universum - von Lars Lindberg Christensen, Robert Fosbury und Robert L. Hurt

Unser Fenster zum Weltraum - 400 Jahre Entdeckungen mit Teleskopen von Lars Lindberg Christensen und Govert Schilling

Hawkings neues Universum - Raum, Zeit und Ewigkeit von Rüdiger Vaas

Das Schicksal des Universums - Eine Reise vom Anfang zum Ende von Günther Hasinger

Gravitation - Die Urkraft des Universums

Sternentstehung - Vom Urknall bis zur Sonne von Ralf Klessen

Was zu entdecken bleibt - Über die Geheimnisse des Universums, den Ursprung des Lebens und die Zukunft der Menschheit von John R. Maddox

Der Weltraum - Planeten, Sterne, Galaxien von Heather Couper & Nigel Henbest

Aktive Sterne - Laboratorien der solaren Astrophysik von Klaus G. Strassmeier

Top-Clicks der Woche