Durch den Klimawandel verändern sich in den kommenden Jahrzehnten weltweit die Lebensbedingungen von Pflanzen. Regional sind dabei jedoch große Unterschiede zu erwarten. So könnten heute kühle und feuchte Gebiete in Zukunft zusätzlichen Arten Lebensraum bieten, in trockenen und warmen Regionen dagegen verschlechtern sich die klimatischen Voraussetzungen für eine hohe Artenvielfalt. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt ein internationales Forscherteam in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society London“.
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„Der Klimawandel könnte die bestehende Verteilung der Artenvielfalt gehörig durcheinander wirbeln, mit bisher kaum absehbaren Folgen für die Ökosysteme und den Menschen“, sagt Projektleiter Jan Henning Sommer vom Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen der Universität Bonn, der zusammen mit Kollegen aus Göttingen und Yale für die neue Studie verantwortlich war.
Zwischen Zuwanderung und Artenverlust
Zum ersten Mal wurden darin die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf die pflanzliche Artenvielfalt auf globalem Maßstab quantifiziert und räumlich differenziert bemessen. Die Forscher haben untersucht, wie viele Pflanzenarten unter den heutigen Klimabedingungen in unterschiedlichen Regionen der Erde vorkommen. Den gefundenen Zusammenhang haben sie dann auf 18 verschiedene Klimawandelszenarien für das Jahr 2100 übertragen.
Vorhersagen darüber, wie stark sich die Artenvielfalt einer Region zukünftig tatsächlich den neuen Bedingungen anpassen wird, ob also zusätzliche Arten in begünstigte Gebiete einwandern werden, oder ob benachteiligte Gebiete wirklich in hohem Maße Arten verlieren werden, lässt die Studie allerdings nicht zu.
„Das wäre Wahrsagerei. Die Anpassungsfähigkeit von Arten und deren Zusammenwirken im Ökosystem können ebenso wie die menschliche Landnutzung die Umverteilung der Arten stark beeinflussen. Hierüber wissen wir noch viel zu wenig“, erklärt Sommer. Allerdings lieferten die vorgestellten Ergebnisse ein wichtiges Indiz, in welchen Gebieten eine Zuwanderung oder ein Verlust von Arten zu erwarten ist.
Globalisierung im Pflanzenreich
Am negativsten könnte sich die Erwärmung auf die Artenzahlen der Pflanzen in den tropischen Amazonas-Regenwäldern Südamerikas auswirken. Für Deutschland erwarten die Wissenschaftler hingegen in Zukunft Klimabedingungen, die mehr Arten Lebensraum bieten.
„Dies kann aber nur schwerlich als Gewinn gewertet werden. Wenn es zu einer verstärkten Umverteilung von Pflanzenarten kommt, wird sich die Zusammensetzung der Arten in den verschiedenen Regionen der Welt immer mehr vereinheitlichen. Einzigartige, an besondere Standortbedingungen angepasste Arten würden dadurch mehr und mehr verdrängt werden“, sagt Sommer. Somit fände auch im Pflanzenreich eine Globalisierung statt.
Besonders weisen die Forscher in ihrer Studie auf die klare Zweiteilung unseres Planeten hinsichtlich der Auswirkungen des Klimawandels auf die Pflanzenvielfalt hin. „Zusätzlicher Lebensraum für Pflanzen könnte überall dort entstehen, wo heute kühle und feuchte Klimabedingungen vorherrschen“, sagt Mitautor Holger Kreft, der inzwischen an der Universität Göttingen arbeitet. „Auf der anderen Seite werden in den bereits heute warmen Gebieten der Subtropen und Tropen zukünftig die Voraussetzungen für Artenvielfalt ungünstiger sein.“
Hauptverursacher des Klimawandels weniger betroffen
Die Zweiteilung hat auch eine politische Dimension: Begünstigte Gebiete decken sich weitgehend mit den Industrienationen. Durch ihren Ausstoß an Klimagasen sind diese Länder zwar Hauptverursacher des Klimawandels, leiden aber deutlich weniger unter seinen Folgen. Auch die Folgen einer halbherzigen Klimapolitik macht die Studie deutlich. Begünstigte und benachteiligte Gebiete halten sich bei einem Anstieg der globalen Temperatur um 1,8°C gegenüber dem Jahr 2000 im weltweiten Mittel noch die Waage.
„Selbst wenn die in Kopenhagen vereinbarten Klimaschutzziele eingehalten werden, steuern wir eher auf einen Temperaturanstieg von bis zu 4°C zu“, sagt Sommer. In diesem Fall ginge im Durchschnitt Lebensraum für mehr Pflanzenarten verloren, als an anderer Stelle neu entstünde.
„Die internationale Politik sollte den Auswirkungen des Klimawandels und der Bedeutung der Artenvielfalt als Lebensgrundlage des Menschen mehr Beachtung schenken“, fordert daher Professor Wilhelm Barthlott, ebenfalls Mitautor der Studie.
(idw – Universität Bonn, 24.03.2010 – DLO)