Die Darmbakterien von Japanern besitzen eine ungewöhnliche Anpassung: Sie tragen Gene, die ihnen helfen, Sushi zu verdauen. Das zeigt eine jetzt in „Nature“ erschienene Studie. Die „Sushi“-Mikroben produzieren ein Enzym, das dabei hilft, die Meeresalgen zu verdauen, die als Umhüllung oder Füllung des Sushi dienen. Vermutlich gelangten die Gene dafür im Laufe der Evolution über Gentransfer von Meeresbakterien in die Darmmikroben.
Sushi ist in Japan seit Jahrhunderten traditionelles Gericht zu nahezu allen Gelegenheiten. Neben rohem Fisch und Klebreis bilden Rotalgen (Nori) oft einen wichtigen Bestandteil dieser Häppchen. Auch in anderen Gerichten wie beispielsweise der Misosuppe werden Algen gegessen. Allein für die Zubereitung der Sushi-Röllchen gehen in Asien jährlich 400.000 Tonnen Nori über die Ladentische. Normalerweise sind diese Algen – wie viele andere Pflanzen auch – für uns Menschen nur teilweise verdaulich, uns fehlen die Enzyme, um das Material komplett aufzuschließen. Unsere Darmflora jedoch hilft uns dabei.
Genanalysen enthüllen Meeresenzyme
Wie es mit der Darmflora im Hinblick auf die Algen aussieht, das wollten Mirjam Czjzek und ihre Kollegen von der Station Biologique de Roscoff in Frankreich herausfinden. In einem ersten Schritt analysierten sie das Genom und die Enzyme eines Meeresbakteriums, das sich von Rotalgen ernährt und daher auf alle Fälle die geeigneten Enzyme besitzen muss. Um zweiten Schritt verglichen die Forscherinnen diese Gendaten mit denen der Darmbakterien von 13 Japanern und 18 Nordamerikanern.
Es zeigte sich, dass sich bestimmte Gensequenzen der Meeresmikroben tatsächlich im der menschlichen Darmflora wiederfinden ließen – allerdings nur bei den Japanern. Hier entdeckten die Wissenschaftler Gene, die Rotalgenabbauende Enzyme kodieren. Offenbar müssen diese Gene im Laufe der Evolution vom Meeresbakterium auf die Darmbakterie transferiert worden sein. im Darm der Nordamerikaner dagegen fand sich keine Spur solcher Enzyme.
Transfer von Meeresbakterium zu Darmmikrobe
Nach Ansicht der Forscherinnen sind die entsprechenden Gene vermutlich schon vor hunderten von Jahren auf den Menschen übergewandert. Vermutlich gelangten die Meeresbakterien über das Essen von Sushi in den menschlichen Darm. Hier fand dann ein horizontaler Genaustausch mit den bereits vorhandenen Darmbewohnern statt, die diese Gene wiederum an ihre Nachfahren weitergaben. Der Träger des Ganzen, den Mensch, profitierte davon, weil er dank dieser symbiontischen Mikroben die Nährstoffe der Algen besser aufschließen konnte. In Nordamerika und Europa dagegen, wo Algen nie einen nennenswerten Anteil an der Ernährung hatten, geschah dies nicht.
(Nature, 08.04.2010 – NPO)