Klima

„Schlafende“ Sonne macht Europas Winter kälter

Niedrige Sonnenaktivität könnte regionales Klima in Großbritannien und Mitteleuropa beeinflussen

Trotz des Trends der globalen Erwärmung werden die Menschen in Großbritannien und Mitteleuropa in den nächsten Jahren möglicherweise häufiger kalte Winter erleben. Zu diesem Ergebnis ist jetzt ein internationales Wissenschaftlerteam gekommen. Die Forscher fanden in ihrer neuen Studie, über die sie in der Fachzeitschrift „Environmental Research Letters“ berichten, einen Zusammenhang zwischen geringer Sonnenaktivität und ungewöhnlich niedrigen Wintertemperaturen in dieser Region.

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Ursache dafür könnte nach Ansicht der Wissenschaftler sein, dass in Zeiten niedriger Sonnenaktivität die milden Winde vom Atlantik im Winter Europa nicht erreichen. Einem vom Menschen erzeugten Klimawandel, der die Temperaturen auf der Erde im Mittel ansteigen lässt, widersprechen diese Ergebnisse jedoch nicht.

Sonne nimmt sich Ruhephasen

Die Sonne strahlt nicht immer gleich hell: In einem etwa elfjährigen Zyklus wechseln sich Phasen hoher Aktivität, in denen unser Zentralgestirn besonders viel Strahlung und Teilchen zur Erde sendet, mit vergleichsweise ruhigen Phasen ab. Sichtbares Zeichen dieses Zyklus sind die dunklen Sonnenflecken, die man zum Teil sogar mit bloßem Auge erkennen kann. Gibt es viele dieser Flecken, ist die Sonne magnetisch besonders aktiv und strahlt somit sehr hell.

Britische Wetteraufzeichnungen ausgewertet

Dass sich der Sonnenzyklus auch auf die Temperaturen auf der Erde auswirkt, ist seit längerem bekannt. So fallen besonders kalte Phasen der Erdgeschichte – etwa das so genannte Maunder-Minimum am Ende des 17. Jahrhunderts – mit Phasen schwacher Sonnenaktivität zusammen. In ihrer neuen Studie haben die Wissenschaftler der Universität von Reading, des Rutherford Appleton Laboratory im britischen Oxfordshire und vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau nun britische Wetteraufzeichnungen, die bis 1659 zurückreichen, mit der Sonnenaktivität im selben Zeitraum verglichen und statistisch ausgewertet.

Als Maß für die Sonnenaktivität diente dabei die Stärke des solaren Magnetfeldes, das bis zur Erde reicht und dort kleine Schwankungen im irdischen Magnetfeld auslöst. Da ausreichend verlässliche Messdaten zum Magnetfeld der Sonne erst seit etwa 1900 vorliegen, rekonstruierten die Forscher ältere Werte mithilfe von Computersimulationen.

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Magnetische Fieberkurve der Sonne untersucht

„Die Stärke des Magnetfeldes ist ein besseres Maß für die Aktivität der Sonne als etwa die Anzahl der Sonnenflecken“, sagt Sami K. Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Denn zwei Aktivitätsminima, bei denen so gut wie keine Sonnenflecken das Tagesgestirn überziehen, können mit sehr unterschiedlichen Magnetfeldstärken verbunden sein. So ist die Sonne derzeit deutlich weniger aktiv als in den 90 Jahren zuvor.

Der statistische Vergleich der magnetischen Fieberkurve der Sonne mit der Wetterdatenbank spricht nach Angaben der Forscher eine deutliche Sprache: Nach Jahrzehnten hoher Sonnenaktivität und vergleichsweise milden Wintern sind harte Winter in Europa wieder häufiger geworden. Bei geringer Sonnenaktivität liegt die durchschnittliche Wintertemperatur in Großbritannien etwa ein halbes Grad niedriger als sonst. Die Ergebnisse der Wissenschaftler beziehen sich dabei nur auf die Winter in England und Mitteleuropa.

Grund für diese sehr regionale Auswirkung der niedrigen Sonnenaktivität könnten Veränderungen der Winde in der Troposphäre, der untersten Atmosphärenschicht, sein. Heizt sich die darüber gelegene Stratosphäre nur schwach auf, reißen die milden Starkwinde vom Atlantik in der Troposphäre ab, vermuten die Forscher. Stattdessen sind Großbritannien und Mitteleuropa dann dem Einfluss kalter Winde aus dem Nordosten ausgesetzt. Der genaue Wirkmechanismus ist allerdings noch unklar.

Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und kalten Wintern nachgewiesen

„Der Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und kalten Wintern in Europa war erst erkennbar, nachdem wir den überlagerten Trend der globalen Erwärmung herausgerechnet hatten“, erklärt Solanki. Die Studie widerspricht somit nicht der Theorie einer globalen Erwärmung, die auf den Einfluss des Menschen zurückgeht. Im Gegenteil: Vieles deutet darauf hin, dass die Sonne für diesen Effekt nur zu einem kleineren Teil verantwortlich ist.

Ob auch der nächste Winter in Großbritannien und Mitteleuropa ein klirrend kalter wird, können die Wissenschaftler nicht vorhersagen. Ihre Ergebnisse sind statistischer Natur und deuten lediglich auf den Trend hin, dass in Zeiten niedriger Sonnenaktivität ungewöhnlich kalte Winter häufiger auftreten. Doch auch 1685, mitten im Maunder-Minimum, belegen die britischen Wetteraufzeichnungen den wärmsten Winter seit 350 Jahren.

(idw – Max-Planck-Gesellschaft, 15.04.2010 – DLO)

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