Amerikanischen Forschern ist es erstmals gelungen, einem Bakterium Gencode für gleich zwei verschiedene nichtnatürliche Aminosäuren ins Erbgut einzupflanzen. Bisher war dies nur mit jeweils einer möglich. Diese Technologie ermöglicht es zum Beispiel, Bakterien so zu programmieren, dass sie zukünftig maßgeschneiderte Proteine mit den verschiedensten für Wissenschaft, Technik oder Medizin interessanten Funktionen herstellen könnten.
{1l}
Der genetische Bauplan enthält natürlicherweise nur Codes für 20 verschiedene Aminosäuren. Um ein Protein zu synthetisieren, zieht eine Zelle zunächst eine „Blaupause“ (mRNA) des entsprechenden Gens und liest diese ab. Der genetische Code für jede Aminosäure besteht aus jeweils drei Nukleotiden. Außerdem gibt es ein Startcodon und drei verschiedene Stopp-Codons. Stücke von Transport-RNA, die die Codons spezifisch erkennen, werden mit der entsprechenden Aminosäuren beladen und bringen sie zum Ort der Proteinsynthese, den Ribosomen.
Stopp-Codon umfunktioniert
Diese natürliche Protein-Herstellungsmaschinerie lässt sich allerdings umprogrammieren: Einige Bakterien, die eine ungewöhnliche Aminosäure als Teil von Enzymen ihres Methan-Stoffwechsels benötigen, zweckentfremden dafür eines ihrer Stopp-Codons, das dann als Codon für die zusätzliche Aminosäuren fungiert. Im Labor wurde diese Methode bereits erfolgreich nachgeahmt, bisher konnte allerdings immer nur je eine Sorte einer neuen Aminosäure in ein Protein eingebaut werden.
Wenshe Liu und seinen Kollegen von der Texas A&M University ist es jetzt gelungen, erstmals gleich zwei verschiedene nichtnatürliche Aminosäuren im Erbgut von Bakterien zu verankern, wie sie in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten. Eine der tRNAs mutierten sie dafür so, dass diese nun ein weiteres Stopp-Codon erkennt. Durch Mutation konnten sie die zugehörigen Aminoacyl-tRNA- Synthetasen so umprogrammieren, dass diese ihre tRNAs mit den jeweils gewünschten nichtnatürlichen Aminosäuren beladen.
„Druckknopf“ für weitere Molekülgruppen
Die Forscher schleusten dieses veränderte Erbmaterial in Bakterienzellen ein. Wunschgemäß bauten diese daraufhin zwei verschiedene nichtnatürliche Aminosäuren in ein Protein ein. Diese beiden Aminosäuren sind so konstruiert, dass sie je einen spezifischen „Druckknopf“ tragen, an den später nach Belieben funktionelle Molekülgruppen einfach angeknüpft werden können. So lassen sich beispielsweise spezielle Molekülpaare anknüpfen, die fluoreszieren, wenn sie untereinander Energie austauschen können. Dazu müssen sie einen bestimmten Abstand und Winkel zueinander haben. Solche Paare ermöglichen Rückschlüsse auf die Konformation eines Proteins und auf dessen dynamische Veränderungen während einer Reaktion.
(Gesellschaft Deutscher Chemiker, 19.04.2010 – NPO)