Aktive und ruhende neuronale Stammzellen
Zusammen mit Kollegen aus Dresden und München haben die Forscher des Max-Planck-Instituts für Immunbiologie in Freiburg jetzt erstmals eine Erklärung dafür gefunden, warum im erwachsenen Mäusegehirn weniger neue Nervenzellen gebildet werden. Sie konnten nämlich verschiedene Populationen von neuronalen Stammzellen identifizieren. Demnach besitzt der Hippocampus aktive und ruhende, inaktive neuronale Stammzellen.
„Bei jungen Mäusen teilen sich die Stammzellen vier Mal häufiger als bei älteren Tieren, die Anzahl an Zellen ist im Alter jedoch nur geringfügig niedriger. Neuronale Stammzellen verschwinden also im Alter nicht, sondern sie werden weiter vorrätig gehalten“, erklärt Verdon Taylor vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie.
Welche Einflüsse die ruhenden Stammzellen wieder aktivieren, wissen die Forscher noch nicht genau. Die Zellen können aber wieder zur Teilung angeregt werden. So beobachteten die Wissenschaftler in körperlich aktiven Mäusen mehr neue Hippocampus-Neurone. „Rennen fördert also die Neubildung von Nervenzellen“, sagt Taylor. Auch krankhafte Gehirnaktivität, wie sie während epileptischer Anfälle auftritt, regt die Stammzellen zur Teilung an.
Horizontale und radiale Stammzellen
Die Stammzell-Populationen lassen sich im Mikroskop gut unterscheiden. Die erste Gruppe besteht aus Zellen, die senkrecht zur Hippocampus-Oberfläche positioniert sind. Diese radialen Stammzellen befinden sich größtenteils im Ruhestadium. In der Gruppe der horizontalen Stammzellen – Zellen, die parallel zur Hippocampus-Oberfläche ausgerichtet sind – bilden dagegen über 80 Prozent laufend neue Zellen, die restlichen 20 Prozent ruhen. Gemeinsam ist allen, dass Gene wie Notch, RBP-J und Sox2 aktiv sind.
Radiale und horizontale Stammzellen sind jedoch nicht nur anders angeordnet, sie reagieren offenbar auch anders. Manche der radialen Stammzellen verlassen ihr Ruhestadium und beginnen sich zu teilen, wenn die Tiere körperlich aktiv sind. Auf die horizontalen Stammzellen hat dies dagegen einen geringen Einfluss. Deshalb teilen sich bei den aktiven Mäusen mehr radiale Stammzellen. Epileptische Anfälle dagegen beeinflussen auch die horizontalen Stammzellen.
Hippocampus im Visier
Neuronale Stammzellen gibt es offenbar nicht nur im Mäusegehirn. Auch beim Menschen sind im Hippocampus Nervenzellen nachgewiesen worden, die dort im Laufe des Lebens gebildet werden. Wissenschaftler vermuten deshalb, dass auch im menschlichen Gehirn unterschiedliche Typen von aktiven und inaktiven Stammzellen vorkommen. Möglicherweise können inaktive Stammzellen auch beim Menschen in ähnlicher Weise wie bei den Mäusen aktiviert werden.
„Es gibt Hinweise darauf, dass die übermäßige Bildung neuer Nervenzellen bei Epilepsie eine Rolle spielt. Vielleicht können neuronale Stammzellen des Gehirns eines Tages auch zur Behandlung von Gehirnverletzungen oder degenerativen Erkrankungen wie Alzheimer eingesetzt werden“, hofft Taylor.
(idw – Max-Planck-Gesellschaft, 07.05.2010 – DLO)
7. Mai 2010