Neurobiologie

Suchmaschinen helfen Hirnforschern

Was unser Gehirn mit dem Internet gemeinsam hat

Vergleich der Eigenvektor-Zentralitätswerte von satten und hungrigen Probanden. Durch die neue Auswertungsmethode konnte erstmals gezeigt werden, dass bei satten Probanden im Belohnungszentrum des Gehirns (ventrales Striatum) besonders starke Aktivität auftritt. Ein gefüllter Magen wird vom Gehirn als „Belohnung“ gewertet (orange = höhere Zentralität im gesättigten Zustand; blau = höhere Zentralität im hungrigen Zustand). © MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften

Unser Gehirn funktioniert wie eine Menge verschiedener Netzwerke – so wie das Internet. Könnte uns unser Wissen über das Internet nun beim Verständnis unseres Gehirns behilflich sein? Ja, sagen jetzt Leipziger Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „PLoS One“. Sie haben eine neue Methode entwickelt, die sich Prinzipien von Suchmaschinen im Internet zu Nutze macht, um Daten aus dem menschlichen Gehirn besser und effizienter auswerten werden zu können.

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Wollen Neurologen etwas über die Aktivität bestimmter Gehirnareale herausfinden, bedienen sie sich immer öfter der Magnetresonanztomografie. Diese Methode misst den Sauerstoffgehalt des Blutes im Gehirn. Mit Hilfe dieser Kenngröße kann man Rückschlüsse auf die Aktivitäten einzelner Hirnregionen ziehen.

Um die Daten aus funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) auszuwerten, braucht man mathematische Modelle. In Experimenten, bei denen Probanden Aufgaben erfüllen müssen, ist die Auswertung relativ einfach. Man misst die Sauerstoffanreicherung im Blut, während die Testperson verschiedene Aufgaben absolviert. Anschließend werden die Werte verglichen. Signifikante Unterschiede in den Messwerten weisen darauf hin, dass diese Gehirnareale für die Bewältigung der jeweils gewählten Aufgabe verantwortlich sind. Was macht man jedoch, wenn die einzige „Aufgabe“ des Probanden darin besteht, entweder hungrig oder satt zum Experiment zu erscheinen?

Neues mathematisches Verfahren entwickelt

Die Auswertung solcher Messwerte bereitete den Forschern bisher Schwierigkeiten – vor allem, wenn sie nicht unmittelbar auf einen experimentellen Stimulus zurückzuführen waren, sondern die allgemeine Situation im Gehirn widerspiegelten. So etwas tritt beispielsweise auf, wenn der Proband keine Aufgabe gestellt bekommt, sondern sich eben lediglich in verschiedenen Zuständen wie beispielsweise „Hunger“ oder „Sattheit“ befindet.

Abhilfe schafft nun ein neu entwickeltes mathematisches Verfahren, das – in abgewandelter Form – auch bei Internet-Suchmaschinen zum Einsatz kommt und dort über die Reihenfolge der angezeigten Suchergebnisse entscheidet: die so genannte „Eigenvektor-Zentralität“.

Ein Netzwerk mit „small world properties“

Hier kommt die Tatsache zu Hilfe, dass das Gehirn – genau wie das Internet – ein Netzwerk mit „small world properties“ ist. Jeder Messpunkt im Gehirn oder jede Internetseite kann als ein Knotenpunkt in diesem Netzwerk angesehen werden. Die Knoten können miteinander durch Kanten verbunden sein, genauso wie zwei Homepages untereinander verlinkt sein können.

Bei der Eigenvektor-Zentralität werden die Knotenpunkte nach der Art und der Qualität der Verbindungen zu anderen Knoten gewichtet. Es ist also einerseits wichtig, wie viele Verknüpfungen von einem Knoten selbst ausgehen, und andererseits, wie gut das Netzwerk der Nachbarknoten ist. Gemäß diesem Prinzip erscheinen auch Internetseiten, die mit hochfrequentierten Homepages wie zum Beispiel „Wikipedia“ verknüpft sind, in der Auflistung der Suchergebnisse von Suchmaschinen wie „Google“ weiter oben als solche Seiten, die keine guten Verknüpfungen aufweisen.

Überschaubarer Rechenaufwand

„Die Vorteile der Auswertung von fMRT-Ergebnissen mit Hilfe der Eigenvektor-Zentralität liegen auf der Hand“, erklärt Gabriele Lohmann, die zusammen mit Kollegen vom Leipziger Max Planck Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften sowie von der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig für die neue Studie verantwortlich war. Das Verfahren betrachtet die Zusammenarbeit der Hirnregionen insgesamt und ist vom Rechenaufwand her überschaubar. Damit ist es ideal dafür geeignet, um zustandsbedingte Aktivitätsmuster im Gehirn aufzuspüren.

(Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, 01.06.2010 – DLO)

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