Neue Einblicke in die genetischen Ursachen des Autismus hat jetzt eine in „Nature“ veröffentlichte Genstudie geliefert. Sie zeigt, dass Autisten deutlich mehr Kopien verschiedener DNA-Abschnitte im Genom tragen als Gesunde. Wie Forscher jetzt in „Nature“ berichten, geben Art und Position dieser „Copy Number Variants“ wichtige Hinweise darauf, welche Gene bei Menschen mit autistischen Entwicklungsstörungen in ihrer Funktion gestört sein könnten.
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Autismus hat eine erbliche Komponente, das ist schon seit längerem klar. So liegt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit bei eineiigen Zwillingen, beide an einer autistischen Entwicklungsstörung (ASD) zu leiden bei 90 Prozent. Wenn Eltern bereits ein autistisches Kind haben, steigt das Risiko beim Nächstgeborenen auf 1:20. Doch welche genetischen Faktoren an dieser Erblichkeit konkret beteiligt sind, ist bis heute unbekannt.
Vergleich der Anzahl von DNA-Kopien
Ein internationales Konsortium von Forschern hat daher im Rahmen des Autism Genome Project die bisher größte genetische Studie zu diesem Thema durchgeführt. Die Wissenschaftler analysierten und verglichen dafür das Genom von fast 1.000 Menschen mit ASD mit dem von rund 1.200 gesunden Menschen als Vergleichsgruppe. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf die so genannten Copy Number Variants (CNV), Segmente der DNA, die im Genom in mehrfachen Kopien vorliegen und deren Kopienzahl individuell unterschiedlich sein kann.
Mehr Kopien bei Autisten
Der Genvergleich zeigt, dass Menschen mit einer autistischen Entwicklungsstörung eine größere Anzahl normalerweise seltener CNVs im Genom tragen als gesunde. Wie die Wissenschaftler feststellen konnten ist ein Teil dieser „überschüssigen“ CNV bei Autisten ererbt, ein Teil jedoch erst in dem jeweiligen Menschen entstanden. Auffallend war zudem, dass die betroffenen Genabschnitte oft aus kodierenden Bereichen der DNA stammen und damit aus Bereichen, die unter anderem die Bauanleitung für Proteine enthalten.
Neue Kandidaten für Auslöse-Gene
Die Positionen der CNVs haben gleich mehrere Genveränderungen als Kandidaten für ASD-Auslöser ins Rampenlicht gerückt. Nach Angaben der Forscher könnten die zusätzlichen Kopien unter anderem die Funktion einiger Gene stören, die für das Wachstum, die Beweglichkeit und die Entwicklung von Zellen zuständig sind, sowie Gene des GTPase/Ras-Signalwegs, der unter anderem an Transport- und Kommunikationsvorgängen von Zellen beteiligt ist.
In jedem Falle eröffnet die Studie neue Anhaltspunkte für die weitere gezielte Suche nach den Auslösern des Autismus und verwandter Entwicklungsstörungen.
(Nature, 10.06.2010 – NPO)