Dass es früher einen Ozean auf dem Mars gab, ist nichts Neues. Wie groß er war, schon: Neue Analysen aller bekannten geologischen, wasserbedingten Strukturen zeigen, dass das Marsmeer vor rund 3,5 Milliarden Jahren gut ein Drittel des Roten Planeten bedeckte. Zudem identifizierten die Forscher 40.000 Täler, die einst von Flüssen geformt worden waren. Die in „Nature Geoscience“ veröffentlichte Studie bestätigt damit erneut Theorien eines einst erdähnlichen Wasserkreislaufs auf dem Mars.
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Schon seit Beginn der Marserkundung haben Sonden und Marsrover zahlreiche geologische Formationen auf dem Roten Planeten entdeckt, deren Form und Typ nur in Anwesenheit von Wasser entstanden sein können. So zeigten bereits Aufnahmen der Mariner 9 und auch der Viking Sonden in den 1970er Jahren Spuren von Wassererosion in Form von ausgewaschenen Tälern, Rinnen und Senken. Bilder und Daten neuerer Sonden wiesen zudem auf die Präsenz von Gesteinen und Mineralien ihn, die nur mit Hilfe von Wasser entstehen können. Die Theorie, dass der Rote Planet in seiner frühen Vergangenheit einmal deutlich feuchter war als heute und vermutlich sogar einen Ozean besaß, wird daher schon seit mindestens zwei Jahrzehnten diskutiert.
Komplette Inventur aller wasserbedingten Strukturen
Wie groß dieser Ozean jedoch war und in welcher Form das Wasser genau auf dem Mars verteilt war und sich austauschte, war unklar und ermangelte der Belege. Das hat sich jetzt geändert. In der bisher umfangreichsten Studie ihrer Art haben Wissenschaftler der Universität von Colorado in Boulder tausende von Aufnahmen verschiedener Marssonden analysiert und erstmals eine komplette „Inventur“ der marsianischen Wasserspuren durchgeführt. Die Analyse erfasste dabei nicht nur bereits bekannte Strukturen, sondern identifizierte auch tausende neue.
Die Forscher um Brian Hynek, Professor für Geowissenschaften, und Gaetano Di Achille nutzten ein Geografisches Informationssystem (GIS), um ihre Ergebnisse als Karte auf das Mars-Terrain zu übertragen. Es zeigte sich, dass rund die Hälfte der 52 identifizierten Flussdeltas auf dem Roten Planeten in der gleichen Höhe lag, ihre durchschnittliche Erhebung war über den gesamten Planeten verteilt bemerkenswert konsistent, so die Forscher.
36 Prozent des Mars von Meer bedeckt
Sie schließen daraus, dass vor rund 3,5 Milliarden Jahren rund 36 Prozent der Marsoberfläche von einem gewaltigen Ozean bedeckt gewesen sein müssen. Dieses Marsmeer könnte ein Volumen von rund 124 Millionen Kubikkilometer Wasser enthalten haben. Würde man diese Wassermenge gleichmäßig über den Roten Planeten verteilen, läge er überall 550 Meter tief unter Wasser. Das ist zwar nur rund ein Zehntel der Wassermenge der irdischen Weltmeere, doch gemessen an der Tatsache, dass der Mars auch nur gut die Hälfte der Erdgröße besitzt, dennoch sehr viel.
Wenn der Rote Planet vor mehr als drei Milliarden Jahren ein großes Meer besaß, hatte er damit auch eine wichtige Voraussetzung für einen erdähnlichen Wasserkreislauf, ein Wechselspiel von Verdunstung, Niederschlag und Abfluss, das Wolken und Regen bewirkt und Flüsse, Seen und Ozean durch konstanten Austausch verbindet. Indizien für die Existenz einer solchen Hydrosphäre liefert auch eine zweite Studie der gleichen Forscher, veröffentlicht im „Journal of Geophysical Research“.
40.000 Flusstäler identifiziert
In ihr berichten Hynek, Michael Beach und weitere Kollegen vom Laboratory for Atmospheric and Space Physics der Universität von Colorado über ihre Bestandsaufnahme und Analyse der Flusstäler auf dem Mars. Rund 40.000 solcher einst durch das Wasser von Flüssen geformter Landschaftsformen identifizierten die Forscher dabei – gut vier Mal mehr als zuvor bekannt gewesen waren.
Die Täler waren offensichtlich die Quelle des Sediments, das flussabwärts geschwemmt und dann in den ins Meer mündenden Deltas wieder abgelagert worden war. „Die große Zahl dieser Flusstäler erforderte eine signifikante Niederschlagsmenge“, erklärt Hynek. Die dafür benötigte Verdunstung und Menge an Wasser in der Atmosphäre könne, so der Forscher, nur durch die Präsenz eines Ozeans ermöglicht werden. Daher sieht er hierin einen weiteren Beleg für einen urzeitlichen Marsozean.
Aktive Hydrosphäre mit erdähnlichem Wasserkreislauf
„Zusammengenommen unterstützen diese Ergebnisse die existierenden Theorien über Ausdehnung und Bildungszeit eines alten Ozeans auf dem Mars und deuten zudem auf Oberflächenbedingungen zu dieser Zeit hin, die eine globale und aktive Hydrosphäre erlaubten, mit Talnetzwerken, Deltas und einem großen Ozean als Hauptbestandteile eines erdähnlichen Wasserkreislaufs“, so das Fazit von Di Achille und Hynek in ihrem „Nature Geoscience“ Artikel.
„Eine der Hauptfragen, die wir gerne beantworten würden, ist, wo all das Wasser hingekommen ist”, erklärt Di Achille. Er und seine Kollegen hoffen hier auf zukünftige Marsmissionen, darunter vor allem die „Mars Atmosphere and Volatile Evolution“-Mission (MAVEN), deren Start für 2013 geplant ist. Sie soll die Atmosphäre und speziell den Verlust von flüchtigen Verbindungen wie H2O, CO2 oder NO2 über die Marsatmosphäre ins All untersuchen.
(University of Colorado at Boulder, 15.06.2010 – NPO)