Berliner Forscher haben jetzt in der Zellkultur und in Mäusen gezeigt, wie hirneigene Stammzellen und Vorläuferzellen so genannte Glioblastome, in Schach halten. Diese zählen zu den häufigsten und bösartigsten Hirntumoren.
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Dr. Sridhar Reddy Chirasani, Professor Helmut Kettenmann und Dr. Rainer Glass vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch und Dr. Michael Synowitz von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, berichten in der Fachzeitschrift „Brain“ darüber, wie dieser von ihnen vor einiger Zeit entdeckte körpereigene Schutzmechanismus funktioniert.
Tumor lockt Stammzellen an
Glioblastome sind Hirntumore, die meist im fortgeschrittenen Alter Mitte Fünfzig, Anfang Sechzig auftreten. Die Ursachen für ihre Entstehung sind bisher nicht bekannt. Die Forschung geht davon aus, dass fehlgesteuerte neuronale Stamm-/Vorläuferzellen zu Krebszellen mutieren und Glioblastome bilden können.
Vor einigen Jahren jedoch konnten MDC-Forscher zusammen mit Kollegen der Charité zeigen, dass normale Stamm-/Vorläuferzellen des Gehirns den Tumor angreifen. Offenbar lockt der Tumor selbst diese Stammzellen aus den Keimzentren, so genannten Stammzellnischen, des Gehirns über weite Strecken an. Weshalb, ist unklar. Auch wissen die Forscher bisher nicht, welche Substanz die Stammzellen zum Tumor lockt. Jetzt fanden sie aber heraus, wie die Stammzellen den Tumor unter Kontrolle halten.
Stammzellprotein schaltet Signal in Glioblastomzellen an
Die Wissenschaftler konnten in ihrer neuen Studie nachweisen, dass die neuronalen Stammzellen und die neuronalen Vorläuferzellen ein Protein ausschütten, das zur Familie der BMP-Proteine (bone morphogenetic protein) gehört. Dieses Protein verdankt seinen Namen seiner zuerst entdeckten Fähigkeit, die Bildung von Knochen- und Knorpelgewebe auszulösen. Es ist aber im gesamten Organismus aktiv, auch im Gehirn.
In der Umgebung von Glioblastomzellen schütten die neuronalen Stammzellen im Gehirn BMP-7 aus. Das Protein beeinflusst eine kleine Population von Krebszellen, die so genannten Tumorstammzellen. Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass diese Tumorstammzellen die eigentliche Ursache dafür sind, dass sich eine Krebsgeschwulst im Gehirn immer wieder erneuern kann. Eine kleine Menge dieser Zellen reicht aus, dass sich auch nach einer Operation wieder neue Tumore bilden.
BMP-7 schaltet nach Angaben der Forscher in den Tumorstammzellen einen Signalweg an, der sie in einen differenzierten Zustand versetzt. Das heißt, sie sind keine Tumorstammzellen mehr. Die Aktivität der Stammzellen im Gehirn und somit der körpereigene Schutzmechanismus gegen Glioblastome nimmt aber mit zunehmendem Alter ab. Das könnte erklären, weshalb diese Tumore beim Menschen erst in höheren Lebensjahren auftreten, nicht aber bei Kindern und Jugendlichen.
Ziel – Tumorstammzellen zerstören
Die Entdeckung der Tumorstammzellen hat auch zu neuen Konzepten in der Therapie von Glioblastomen geführt. Die „normalen Krebszellen“ können mit Hilfe herkömmlicher Therapien wie Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie zerstört werden, was bei Tumorstammzellen kaum gelingt.
Ziel ist es daher, Therapiekonzepte zu entwickeln, die diese Tumorstammzellen zerstören. Die Erkenntnisse aus den Mausexperimenten der Forscher in Berlin könnten einen neuen Weg aufzeigen, Tumorstammzellen in harmlosere Zellen umzuprogrammieren, die mit einer Therapie zerstört werden können.
(idw – Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, 07.07.2010 – DLO)