Karlsruher Wissenschaftlern ist es erstmals gelungen, aus gemessenen Infrarotspektren die Chlorverbindung ClOOCl zu bestimmen, der eine Schlüsselrolle bei der stratosphärischen Ozonzerstörung zufällt. Die neuen Ergebnisse widerlegen eindeutig die aufgrund von Labormessungen geäußerten Zweifel amerikanischer Wissenschaftler an den etablierten Modellen der polaren Ozonchemie. Vielmehr bestätigen die Karlsruher Resultate das bestehende Wissen.
Das Ozonloch über der Antarktis und die zerstörerische Rolle, die dabei die Fluor-Chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und ihre Abbauprodukte spielen, sind sowohl ein Synonym für globale Umweltprobleme als auch für deren Lösung durch weltweite konzertierte Abkommen geworden. Die wissenschaftliche Grundlagenforschung zur Ozonchemie in der Atmosphäre bildete dabei die Basis für internationale Verträge wie das Montreal- Protokoll von 1987, die die FCKW-Produktion einschränkt.
Der Erfolg der politischen Umsetzung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigt sich darin, dass der Chlorgehalt der Atmosphäre und damit das Ozonzerstörungspotenzial seit kurzem wieder langsam sinken.
Atmosphärische Infrarotmessungen belegen Modelle der Ozonchemie
Wissenschaftlern des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung (IMK) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist es nun erstmals gelungen, eine wichtige, aber sehr instabile Chlorverbindung, das Chlormonoxid-Dimer (ClOOCl), der eine zentrale Bedeutung in der stratosphärischen Ozonzerstörung am Ende des arktischen Winters zufällt, mithilfe von atmosphärischen Infrarotmessungen zu bestimmen.
Aus ClOOCl wird zerstörerisches Chlor
Aus ClOOCl kann im polaren Winter nach Sonnenaufgang sehr schnell atomares Chlor gebildet werden, das Ozon katalytisch abbauen kann. Die Stärke des durch kurzwelliges Sonnenlicht hervorgerufenen Zerfalls von ClOOCl bestimmt dabei die Stärke des stratosphärischen polaren Ozonabbaus.
Das Verständnis der Prozesse, die bei der ozonzerstörenden Chlorchemie in der Atmosphäre dominieren, wurde jedoch durch amerikanische Wissenschaftler in Frage gestellt. Aus deren Labormessungen geht hervor, dass der durch Sonnenlicht hervorgerufene Zerfall von ClOOCl kleiner ist als der von anderen Arbeitsgruppen errechnete Zerfall. Dadurch würde auch der Ozonabbau schwächer ausfallen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass stratosphärische Chemie-Modelle den tatsächlich gemessenen Ozonabbau mit diesen Labormessungen deutlich unterschätzen. Somit wurde das Verständnis der ozonzerstörenden Prozesse in Frage gestellt.
Zweifel widerlegt
„Die Atmosphärenmessungen der KIT-Forscher über Nordskandinavien mit einem ballongetragenen Infrarot-Spektrometer MIPAS-B in Höhen von mehr als 20 Kilometern widerlegen klar die Zweifel der amerikanischen Wissenschaftler und bestätigen die bestehenden Modelle der polaren Ozonchemie“, betont Gerald Wetzel, Mitarbeiter am IMK.
„Die Messung und Auswertung von Ballonspektren erfordern eine sehr enge Zusammenarbeit von Ingenieuren und Wissenschaftlern, ohne die diese wichtigen Ergebnisse nicht möglich wären.“, so der Forscher weiter.
(idw – Karlsruher Institut für Technologie, 16.07.2010 – DLO)