Das IceCube Neutrino-Observatorium am Südpol hat – obwohl noch im Bau – bereits überraschende Ergebnisse geliefert: Messungen enthüllten erstmals auch Unregelmäßigkeiten in der kosmischen Strahlung über der Südhalbkugel. Diese könnten von einem nahegelegenen Supernovarelikt oder aber von interstellaren Magnetfeldern stammen – der genaue Ursprung ist noch unklar. Klar ist aber, dass einige bisherige Theorien zum Ursprung kosmischer Strahlungsunterschiede nun widerlegt werden können.
Neutrinos sind Elementarteilchen, die kaum mit Materie interagieren, entsprechend schwer sind sie einzufangen und zu detektieren. Das Neutrino-Observatorium IceCube am Südpol nutzt einen Kubikkilometer Eis, durchsetzt mit kugelförmigen Detektoren, um doch eines der Elementarteilchen aufzufangen, die Atome abgeben, wen sie von einem Neutrino getroffen werden. Um bei dieser Beobachtung möglichst wenig durch andere Teilchen aus der kosmischen Strahlung abgelenkt zu werden, sind die Detektoren von IceCube nach Norden, in Richtung Erdmittelpunkt ausgerichtet. Für Neutrinos stellt die Masse der Erde kein Hindernis dar, für die meisten anderen Teilchen dagegen schon.
Überraschende Entdeckung im „Grundrauschen“
Trotzdem gelangt von Süden her noch Strahlung in den Detektor. Doch genau dieses für die meisten Neutrinoforscher eher lästiges „Grundrauschen“ hat nun für eine Überraschung gesorgt. „IceCube ist eigentlich nicht dazu gedacht, kosmische Strahlung zu beobachteten, sie gilt eher als Hintergrund“, erklärt Rasha Abbasi von der Universität of Wisconsin-Madison. „Doch wir haben Milliarden von herabstrahlenden kosmischen Hintergrundstrahlen registriert, die sich als sehr aufregend entpuppten.“
Als sich Abbasi eine Karte der relativen Intensität der kosmischen Strahlung über der Südhalbkugel anschaute, fiel ihr ein ungewöhnliches Muster auf: In einem Bereich des Himmels schien ein Strahlungsüberschuss zu bestehen, an einer anderen Stelle dagegen eine Art Senke. Eine ähnliche Anisotropie war zuvor auch schon für die Nordhalbkugel beobachtet worden, doch seine Ursache war bislang ein Rätsel.
„Diese Anisotropie auch im Himmel der Südhalbkugel zu sehen ist ein weiteres Puzzleteil in diesem rätselhaften Effekt“, erklärt Abbasi. „Ob dies auf das Magnetfeld um uns herum zurückgeht oder aber auf eine nahegelegene Supernova wissen wir nicht.” Die Strahlung, die von einem Relikt einer Sternenexplosion, einer Supernova, ausgeht, gilt schon seit längerem als möglicher Kandidat für einen Hotspot kosmischer Strahlung.
Junges Supernovarelikt Vela als Quelle?
Das jetzt beobachtete Muster kosmischer Strahlung könnte darauf hindeuten, dass ein Teil davon von dem noch relativ jungen Supernovarelikt Vela ausgeht. Es entstand erst vor rund 11.000 bis 12.300 Jahren durch eine Sternenexplosion und ist mit nur rund 800 Lichtjahren Entfernung der uns nächstgelegene Überrest eines solchen Ereignisses. Der von IceCube registrierte Bereich besonders starker kosmischer Strahlung liegt in etwa in Richtung auf Vela.
…oder doch interstellare Magnetfelder?
Doch die Ungleichmäßigkeiten im Strahlungsmuster könnten auch magnetischen Ursprungs sein. Denn nicht nur die Erde ist von einem Magnetfeld umgeben, auch interstellare Gaswolken und Teilchenströme erzeugen magnetische Felder. Diese sind allerdings schwer zu untersuchen und daher bisher kaum verstanden. „Zurzeit können wir zwar Modelle aufstellen, aber wir haben kein konkretes Wissen dieses Magnetfelds im kleinen Maßstab“, so Abbasi. „Es wäre schön, wenn wir das hätten – dann würden wir sehr viel größere Fortschritte in diesem Bereich machen können.“
Klar scheint allerdings, dass zumindest einige der bisher vorgeschlagenen Theorien zu den Ursachen der kosmischen Strahlungsunterschiede, die nur auf Beobachtungen der Strahlungsverteilung über der Nordhalbkugel basierten, durch die neuen Beobachtungen auf der Südhalbkugel entkräftet werden können. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der Fachzeitschrift „The Astrophysical Journal Letters“ erschienen.
Weitere Daten bereits in Arbeit
Hoffnung setzen die Forscher nun auf die Fertigstellung von IceCube. Denn die bisherigen Beobachtungen sind mit einem gerade mal zu einem Viertel fertigen Observatorium gemacht worden. Erst 22 der insgesamt 86 Sensor-Stränge waren dafür aktiv. Inzwischen werten die Forscher bereits den nächsten Datenschub aus, der auf immerhin schon 59 Strängen beruht. 2011 dann endlich stehen die kompletten 5.000 Sensoren zur Verfügung und können dann sehr viel detailliertere Daten liefern als bisher.
(University of Wisconsin-Madison, 29.07.2010 – NPO)