Umwelt

Vier Sekunden retten Schweinswale

Schweinswale gewinnen rettende Reaktionszeit durch reflektive Netze

Eine aktuelle Forschungsstudie im Auftrag der Umweltstiftung WWF zeigt, dass Fischernetze mit eingearbeitetem Bariumsulfat den Beifang an Kleinwalen verringern können. Sie sind für das Tier besser „sichtbar“ als konventionelle Nylonnetze, indem sie die Echoortungslaute der Meeressäuger verstärken. Der WWF hat die Studie anlässlich der 56. Konferenz der Internationalen Walfang Kommission (IWC) in Sorrento / Italien vorgestellt, die am 19. Juli beginnt.

Für diese Studie haben Kieler Meeresbiologen eine aufwändige vergleichende Versuchsreihe unter natürlichen Bedingungen mit frei lebenden Schweinswalen in Kanada durchgeführt. Sie verglichen das Verhalten der Schweinswale vor konventionellen Netzen und reflektiven Bariumsulfatnetzen am gleichen Ort bei gleichen Sichtbedingungen. Das Resultat: Die Bariumsulfatnetze „reflektierten“ die Laute, die die Tiere, ähnlich wie Fledermäuse, zu ihrer Orientierung in losen Abständen aussenden, deutlich besser und gaben den Kleinwalen dadurch bis zu 4 Sekunden mehr Zeit, das Netz wahrzunehmen und auszuweichen. Die weiteren Befunde deuten darauf hin, dass der Schweinswal tatsächlich größeren Abstand zu dem Bariumsulfatnetz hält.

„Während wir Menschen uns daran gewöhnt haben zu sagen: „Zeit ist Geld“, kann für den Schweinswal ein Zeitgewinn von bis zu 4 Sekunden ihn vor dem qualvollen Ertrinken retten. Diese wenigen Sekunden können bei Tausenden von Schweinswalen eventuell zwischen Leben und Tod entscheiden. Wir möchten mit dieser Studie erneut ein Signal geben, auch an anderen Methoden zur Beifangreduktion zu arbeiten“, sagt Dirk Riebensahm, Fischereireferent des WWF. Ein weiterer Vorteil besteht in den sehr geringen Mehrkosten dieses Netzes: Nur 10 % höher liegen die Anschaffungskosten eines Bariumsulfatnetzes gegenüber herkömmlichen Netzen nach Aussage eines Netzherstellers. Eine Massenproduktion könnte diesen Unterschied sogar noch weiter reduzieren.

Gegenüber einer bisher erprobten Methode, den Beifang von Schweins- und Kleinwalen zu reduzieren, so genannten akustischen Vergrämern oder „Pingern“, haben reflektive Netze eine Reihe von Vorteilen: Sie benötigen keine Energiequelle, sind wartungsarm, praktisch zu handhaben, belasten die Meeresumwelt und ihre Bewohner nicht mit Lärm und sind für die Fischerei im laufenden Gebrauch kostenneutral. Während die EU akustische Vergrämer in der Kiemennetzfischerei ab Mitte 2005 in Nord- und Ostsee gesetzlich vorschreibt, favorisiert der WWF einen umsichtig dosierten, vorübergehenden Einsatz dieser Methode, bis ökologisch verträglichere Ansätze, wie beispielsweise reflektive Netze, zur Marktreife entwickelt sind.

Bis dieses Ziel erreicht ist, sind jedoch weitere Studien notwendig: Eine logische Voraussetzung dafür, dass reflektive Netze wirken können, besteht darin, dass die Tiere im fraglichen Zeitraum überhaupt Echoortung mit ihren Klicklauten betreiben, was sie aber, um Energie zu sparen, nicht lückenlos tun.

Daher planen die beiden Kieler Meeresbiologen Prof. Dr. Boris Culik und Dipl. Biol. Sven Koschinski, Bariumsulfatnetze zusammen mit so genannten „Enticing Sounds“ einzusetzen, mit einer Klangquelle, die das Klickverhalten der Tiere anregen soll. Wichtig ist dabei, dass die Klangquelle, anders als der Pinger, nicht als Lärm wahrgenommen wird, der das Tier verstört oder vertreibt.

(WWF, 15.07.2004 – NPO)

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