Physiker haben im „Spin-Eis“, mikrometerkleinen magnetischen Inseln in Form von Honigwaben, unerwartete Beobachtungen gemacht. Wie sie in „Applied Physics Letters“ berichten, suchte sich das System beim Anlegen eines Magnetfeldes einen geordneten Zustand aus, bei dem die Pole der Magneten überraschenderweise energetisch äußerst ungünstig zusammenlagen.
Im Wassereis ist jeweils ein Sauerstoffatom von vier Wasserstoffatomen umgeben, die die Ecken eines Tetraeders markieren. Dabei sind allerdings nicht alle Wasserstoffatome gleichberechtigt: Zwei Wasserstoffatome gehören zum ursprünglichen Wassermolekül H2O, die zwei weiteren zum benachbarten Wassermolekül. Die sogenannte Eisregel besagt, dass die ursprünglichen Wasserstoffatome nahe am Sauerstoffatom zu liegen kommen, die beiden anderen weiter entfernt: „Zwei rein, zwei raus“. In der Realität gibt es in dieser Ordnung allerdings immer Fehler.
Spin-Eis: Magnetpole angeordnet wie im Wassereis
Und sehr ähnlich sieht es auch beim sogenannten Spin-Eis aus, der magnetischen Entsprechung von Wassereis. Dabei sitzen vier magnetische Dipole – Atome mit einem Nord- und einem Südpol – auf den Ecken eines Tetraeders in einem Kristallgitter. Wenn sie die Eisregel beachten – zwei Nordpole schauen raus, zwei rein – gleichen sich ihre magnetischen Kräfte aus, ein energetisch günstiger Zustand entsteht. Falls jedoch ein Dipol „herumgedreht“ wird, entsteht ein magnetischer Monopol.
„Freie magnetische Monopole existieren in der Natur nicht. Aber Spin-Eis Materialien bieten uns die Möglichkeit, die exotischen Eigenschaften von magnetischen Monopolen zu untersuchen und Theorien über ihre Wechselwirkung zu überprüfen“, erklärt Hartmut Zabel, Professor für Physik an der Ruhr-Universität Bochum. Um dies zu erreichen, stellten die Forscher durch lithographische Methoden Spin-Eis nicht in der quadratischen Form mit vier Dipolen, sondern in einer triangulären Form, der sogenannten „Honigwabenstruktur“ her.
Honigwaben im Magnet-Eis
Dabei werden mikrometerkleine magnetische Inseln in der Ebene so angeordnet, dass je drei ihrer Enden sich in einem Punkt treffen. Bei der Honigwabenstruktur gilt dabei eigentlich die Eis-Regel: Ein Nord- oder Südpol schaut rein, zwei raus – die energetisch günstigste Möglichkeit, wenn auch nicht vollständig magnetisch ausgeglichen. Aber ist dies in der Praxis wirklich so? „Wir waren gespannt, wie sich die Dipole spontan unmittelbar nach der Herstellung ausrichten und wie sie mit magnetisch ungünstigen Zuständen umgehen“, erklärt Zabel. Dazu tasteten sie die Orientierung jedes Dipols mit einem magnetischen Kraftmikroskop ab, das feststellen kann, in welche Richtung der magnetische Nord- und Südpol zeigt.
Energetisch überraschend ungünstig
Als die Physiker dann noch zusätzlich ein magnetisches Feld anlegten, entstand eine überraschende Ordnung im Chaos: In regelmäßiger Folge ordnen sich jeweils drei magnetische Dipole so an, dass ihr Nordpol in einen Knoten zeigt, am nächsten Knotenpunkt zeigen alle Nordpole aus dem Knotenpunkt heraus. Dabei ist jede einzelne Honigwabe in sich magnetisch ausgeglichen. „Zu unserer
Überraschung tritt der energetisch ungünstigste Zustand, drei Nord- oder Südpole in einem Punkt, unerwartet häufig auf“, berichtet Zabel.
Anwendung für neue Speichertechnik denkbar
„Was hier als Spielerei anmutet, kann weitreichende Konsequenzen für die Datenspeicherung und für magnetische logische Schaltungen haben“, so Zabel. „Wenn man solche Systeme magnetischer Monopole besser versteht und steuern kann, kann man in diesen Zuständen wesentlich mehr Informationen speichern als mit herkömmlichen Speichertechniken, die nur zwei Zustände kennen.“
Für jeden Knotenpunkt gibt es acht mögliche Dipol- Konstellationen – weit mehr als bei herkömmlicher Speichertechnik, die auf zwei Zuständen basiert. Die Dipol-Inseln, die im Experiment drei Mikrometer lang und 0,3 Mikrometer breit waren, kann man sich noch wesentlich kleiner vorstellen – bis zu winzigen 300 Nanometern Länge.
(Ruhr-Universität Bochum, 04.08.2010 – NPO)