Das Phytoplankton der Meere spielt nicht nur eine entscheidende Rolle im marinen Nahrungsnetz, es beeinflusst auch die Entstehung von tropischen Wirbelstürmen. Überall dort, wo das Wasser wegen fehlender Algen blau ist, sinkt die Wassertemperatur und verändern sich die Luftströmungen so, dass die Hurrikanbildung behindert wird. Das zeigt eine jetzt in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ erschienenen Studie amerikanischer Meeresforscher. Diese Erkenntnis ist unter anderem bedeutsam für Überlegungen, Algenblüten durch Eisendüngung zu fördern.
Aus dem Weltall betrachtet erscheinen die Ozeane der Erde blau, doch von nahem gesehen ist das Meerwasser eher grünlich – gefärbt durch unzählige mikroskopisch kleine Algen. Das grüne Pigment Chlorophyll gibt dem Phytoplankton seine Farbe, verhilft ihm zur Umwandlung des Sonnenlichts in chemische Energie und bildet damit die Basis für nahezu alle marinen Nahrungsketten. Doch wie jetzt Wissenschaftler der amerikanischen Meeresforschungsbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) festgestellt haben, könnte die Chlorophyllmenge vielleicht sogar die Entstehung von tropischen Wirbelstürmen entscheidend beeinflussen.
Zwei Szenarien verglichen
Das Forscherteam um Anand Gnanadesikan, Forscher am Geophysical Fluid Dynamics Laboratory der NOAA, verglich in einer Computersimulation zwei Szenarien der Hurrikan-Bildungsraten. Im ersten Szenario modellierten sie die realen Bedingungen, basierend auf den Chlorophyllkonzentrationen, wie sie per Satellitenmessung im Nordpazifik beobachtet worden waren. Im zweiten Szenario setzten sie dagegen die Chlorophyllkonzentration in einigen Teilen des Ozeans auf null, darunter vor allem Gebiete im Bereich des „North Pacific Subtropical Gyre“, einer gewaltigen, gegen den Uhrzeigersinn fließenden Meeresströmung.
Weniger Wirbelstürme über blauerem Wasser
Es zeigte sich, dass die Abwesenheit von Chlorophyll im subtropischen Strömungswirbel deutliche Auswirkungen auf die Luftzirkulation und Wärmeverteilung über dem Meer hat. Das nun nicht mehr grün, sondern blauer erscheinende Wasser veränderte sowohl im Strömungswirbel als auch darüber hinaus auch die Bedingungen, die Wirbelstürme entstehen lassen. Das Szenario ergab, dass entlang des Äquators dadurch rund 20 Prozent mehr Taifune gebildet werden, etwas weiter nördlich und südlich dafür aber rund 70 Prozent weniger. Die Anzahl der Wirbelstürme, die die Philippinen und Vietnam erreichten, erhöhte sich, dafür sank die Anzahl der Stürme an den Küsten Südchinas und Japans.
Meerestemperatur und Windmuster verändert
Der entscheidende Mechanismus dafür, das zeigen die Modelle ebenfalls, ist eine Veränderung der Oberflächentemperaturen des Meeres: Fehlt das Chlorophyll, dringt das Sonnenlicht tiefer ins Wasser ein und wird nicht schon von den Algen absorbiert. Als Folge erwärmt sich die Wasseroberfläche weniger. Die Wirbelstürme werden dadurch auf gleich drei unterschiedliche Weisen beeinflusst: die Meeresbereiche, die die für ihre Entstehung nötigen Oberflächentemperaturen von mindestens 27°C aufweisen, verschieben sich oder werden weniger. Gleichzeitig verändern sich Luftfeuchtigkeit und Luftströmungen über dem dort kühleren Wasser. Und schließlich verstärken lokale Temperaturunterschiede Schwerwinde, die ebenfalls Wirbelstürme im Entstehen wieder zerstreuen können.
Rückschluss auf Folgen von Eisendüngung und Planktonschwund
Diese neue Erkenntnis der Zusammenhänge von Plankton- und damit Chlorophyllkonzentration und Hurrikanbildung ist unter anderem auch deshalb von Bedeutung, weil die Algenpopulationen in den letzten Jahrzehnten in einigen Meeresbereichen signifikant abgenommen haben. Andererseits werden immer wieder Pläne diskutiert, die Pufferwirkung des Meeres für das Treibhausgas Kohlendioxid zu verstärken, indem das Phytoplankton durch Eisendüngung künstlich gefördert wird.
Überrascht waren die Forscher jedoch vor allem dadurch, dass sich die im Modell erzeugte Abwesenheit von Chlorophyll ausgerechnet im Nordpazifischen Strömungswirbel so stark auswirkte. Denn diese Meeresregion, so erklärt Gnanadesikan, gilt ohnehin als „biologische Wüste des Meeres“. „Doch selbst in dieser Region scheint es klar, dass die biologisch vermittelte Temperaturveränderung wichtig ist. Die Tatsache, dass die Meere normalerweise nicht blau sondern grün sind hat damit einen direkten Einfluss auf die Verteilung der tropischen Zyklone.“
(American Geophysical Union, 16.08.2010 – NPO)