Astronomie

Neue Rätsel um Schwarze Löcher

Astronomen stellen gängige Theorien in Frage

Künstlerische Darstellung des Magnetars in dem außergewöhnlichen Sternhaufen Westerlund 1 © L. Calçada/ESO

Mithilfe des Very Large Telescope der ESO haben europäische Astronomen erstmals nachgewiesen, dass ein Magnetar – eine seltene Art von Neutronenstern – aus einem Stern mit mindestens der vierzigfachen Masse der Sonne entstanden ist. Das Resultat steht im Widerspruch zu den etablierten Theorien der Sternentwicklung: Derart massereiche Sterne sollten nicht zu einem Magnetar werden, sondern zu einem Schwarzen Loch.

Das wirft nach Ansicht der beteiligten Wissenschaftler die fundamentale Frage auf, wie massereich ein Stern tatsächlich sein muss, um sich am Ende seines Lebens in ein Schwarzes Loch zu verwandeln.

Sternhaufen Westerlund 1 untersucht

Zu ihren Schlussfolgerungen über den Magnetar kamen die Astronomen nach einer eingehenden Untersuchung des ungewöhnlichen Sternhaufens Westerlund 1, in dem sich der Magnetar befindet. Westerlund 1 liegt in einer Entfernung von 16.000 Lichtjahren im Sternbild Ara – der Altar – am Südhimmel. Von früheren Untersuchungen her kannten die Wissenschaftler Westerlund 1 als den uns nächsten „Supersternhaufen“.

Er enthält hunderte sehr massereiche Sterne, von denen einige bei einer Größe von etwa 2.000 Sonnendurchmessern – das entspricht etwa der Größe der Umlaufbahn des Planeten Saturn – fast eine Million mal so hell leuchten wie die Sonne.

„Befände sich die Sonne im Herzen dieses bemerkenswerten Sternhaufens, wäre der Nachthimmel auf der Erde mit hunderten von Sternen übersät, die so hell wären wie der Vollmond”, erklärt Ben Ritchie von der britischen Open University, der Erstautor der Studie in der Fachzeitschrift „Astronomy and Astrophysics“.

Westerlund 1 © ESO

Sternenzoo mit vielfältiger Population

Westerlund 1 ist ein fantastischer Sternenzoo mit einer vielfältigen und exotischen Sternpopulation. Die Sterne in dem Haufen haben eines gemeinsam: Sie haben dasselbe Alter, das auf etwa 3,5 bis fünf Millionen Jahre geschätzt wird, denn alle Sterne in dem Sternhaufen sind gleichzeitig entstanden.

Ein Magnetar ist ein Neutronenstern mit einem unvorstellbar starken Magnetfeld – rund eine Billiarde mal stärker als das der Erde. Das Magnetfeld entsteht zur gleichen Zeit wie der Neutronenstern selbst, also dann, wenn der Vorläuferstern am Ende seines Lebens als Supernova explodiert. Der Sternhaufen Westerlund 1 enthält einen der wenigen Magnetare, die die Astronomen in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, kennen.

Sterne alle gleich alt

Erst die Zugehörigkeit des Magnetars zum Sternhaufen ermöglicht die Abschätzung, dass sein Vorgängerstern mindestens 40 Sonnenmassen gehabt haben muss. Da die Sterne in Westerlund 1 alle gleich alt sind, muss der Stern, der als Supernova explodierte und den Magnetar als Überbleibsel hinterließ, eine kürzere Lebensspanne gehabt haben als die heute in dem Sternhaufen noch existierenden Sterne.

„Die Lebensdauer eines Sterns hängt direkt mit seiner Masse zusammen – je schwerer ein Stern ist, desto kürzer lebt er. Kann man die Masse eines der Sterne in dem Haufen bestimmen, die heute noch existieren, dann können wir mit Sicherheit sagen, dass der kurzlebigere Stern, der zum Magnetar wurde, eine größere Masse gehabt haben muss”, erläutert Koautor und Teamleiter Simon Clark, ebenfalls von der Open University. „Das ist besonders wichtig, weil es bislang noch keine akzeptierte Theorie darüber gibt, wie diese extrem magnetischen Objekte sich überhaupt bilden.”

Magnetar statt Schwarzes Loch

Die Astronomen haben deshalb die beiden sich gegenseitig bedeckenden Sterne des zu Westerlund 1 gehörigen Doppelsternsystems W13 näher untersucht. In so einem Doppelsternsystem lassen sich die Massen der beiden Sterne direkt aus ihren Umlaufbahnen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt ermitteln.

Durch Vergleich mit diesen beiden Sternen hat das Astronomenteam festgestellt, dass der Vorläuferstern des Magnetars mindestens vierzigmal so massereich gewesen sein muss wie die Sonne. Damit haben sie erstmals gezeigt, dass sich Magnetare aus Sternen bilden können, die so massereich sind, dass man eigentlich erwarten würde, dass sie am Ende ihres Lebens zu einem Schwarzen Loch werden. Zuvor hatte man angenommen, dass Sterne mit anfänglich zwischen zehn und 25 Sonnenmassen Neutronensterne bilden würden und Sterne mit mehr als 25 Sonnenmassen Schwarze Löcher.

Große Herausforderung für bisherige Modelle der Sternentwicklung

„Diese Sterne müssen auf irgendeine Weise mehr als neun Zehntel ihrer Masse verlieren, bevor sie als Supernova explodieren, sonst würden sie als Schwarzes Loch enden”, erklärt Koautor Ignacio Negueruela von der spanischen Universidad de Alicante. „So große Massenverlustraten vor der Explosion stellen für die gängigen Modelle der Sternentwicklung eine große Herausforderung dar.”

Und Norbert Langer von der Universität Bonn bzw. der Universiteit Utrecht ergänzt: „Es stellt sich daher die schwierige Frage, wie viel Masse ein Stern denn überhaupt haben muss, um schließlich zu einem Schwarzen Loch zusammenzustürzen, wenn dies nicht einmal Sternen mit mehr als 40 Sonnenmassen gelingt.“

Kosmische Diät

Der von den Astronomen bevorzugte Entstehungsmechanismus für den Magnetar geht davon aus, dass der Vorläufersterns des Magnetars zusammen mit einem Begleitstern entstanden ist. Im Laufe ihrer gemeinsamen Entwicklung kam es dann zur Wechselwirkung zwischen den Sternen: Dabei wurde Energie aus der Umlaufbewegung der Sterne dazu aufgewendet, die große überschüssige Masse des Vorläufersterns wegzuschleudern, so die Forscher.

Zwar hat man bislang keinen solchen Begleiter gefunden, was aber darin begründet sein könnte, dass die Supernovaexplosion, bei der sich der Magnetar gebildet hat, das Doppelsternsystem zerstört und beide Sterne mit hoher Geschwindiglkeit aus dem Sternhaufen geschleudert hat.

„Wenn das der Fall ist, könnten Doppelsternsysteme eine entscheidende Rolle in der Sternentwicklung spielen, indem sie den Massenverlust beeinflussen. Für die Schwergewichte unter den Sternen wäre es die ultimative kosmische Diät, bei der sie mehr als 95 Prozent ihrer Anfangsmasse verlieren würden“, schließt Clark.

(idw – Max-Planck-Institut für Astronomie, 19.08.2010 – DLO)

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