Ein internationales Forscherteam hat – erstmals seit 60 Jahren – ein neues Chlorophyll- Molekül nachgewiesen. Die bisher unbekannte Variante der für die Photosynthese entscheidenden Verbindung kann besonders langwelliges Licht im nahen Infrarotbereich absorbieren und könntensich auch für biotechnische Anwendugnen einsetzen lassen. Entdeckt wurde es in australischen Stromatolithen, urtümlichen Bakterienmatten, wie die Forscher in „Science Online“ berichten.
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Die Photosynthese ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde. In der Photosynthese wird Kohlendioxid zu energiereichen Verbindungen reduziert, die Energie für das Biosystem Erde liefern. Der molekulare Apparat der Photosynthese ist vermutlich seit mehr als zwei Milliarden Jahren weitgehend unverändert geblieben. Schlüsselmoleküle im photosynthetischen Apparat der Pflanzen, Algen und bestimmter Bakterien sind die Chlorophylle. Diese Moleküle übernehmen eine Vielzahl von Funktionen in der Photosynthese, darunter die Absorption des Lichts, den Energietransfer und den Elektronentransfer.
Bis vor Kurzem wurde vermutet, dass das Chlorophyll a, die häufigste Variante in grünen Pflanzen, einzig in der Lage ist, den eigentlichen Energiewandlungsprozess in den Reaktionszentren auszuführen. Das dabei verwendete rote Licht von weniger als 700 Nanometer Wellenlänge würde damit eine Art energetische Grenze markieren. Erst spät gelang der Nachweis, dass das Chlorophyll d eines speziellen Cyanobakteriums die oxigene Photosynthese mit Licht oberhalb 700 Nanometern ermöglicht. Eine gezielte Suche führte daraufhin zu einer Reihe weiterer Organismen, die dieses Pigment enthalten. Insgesamt waren bis jetzt vier Chlorophyll-Varianten bekannt.
Entdeckung in Bakterienmatten der Stromatolithe
Jetzt hat ein internationales Forscherteam um die australische Botanikerin Professor Min Chen eine weitere Form des Photosynthese-Moleküls entdeckt. Die Forscher stießen darauf in Australien bei Untersuchung von Stromatolithen, dichten Matten von Cyanobakterien, die zu den ältesten bekannten Organismen-Gemeinschaften gehören.
„Unsere Überlegung war, dass in dichten Algenmatten die zuoberst lebenden Organismen so viel Sonnenstrahlung abfangen, dass für unten liegende Schichten im sichtbaren Bereich nichts bleibt und ein hoher Selektionsdruck zur Nutzung des durchgelassenen Infrarotlichts besteht“, erklärt Hugo Scheer, Professor für Biologie an der LMU München, der an der Studie ebenfalls maßgeblich beteiligt war. „In Stromatolithen, Algenmatten, die zu den ältesten bekannten biologischen Gemeinschaften gehören, konnten wir jetzt tatsächlich Organismen mit einem neuen Chlorophyll-Molekül nachweisen.“
Chlorophyll-f absorbiert langwelliges Infrarotlicht
Mit der Entdeckung des Chlorophyll f sind nun fünf Varianten des Chlorophylls für die oxigene Photosynthese bekannt. Gleichzeitig ist dies der erste Nachweis einer Variante des Photosynthesemoleküls seit über 60 Jahren. Durch anschleßende Laborversuche gelang es den Forschern, das Molekül zun isolieren und auch seine Struktur zu analysieren.
„Die gezielte Anzucht mit Infrarotlicht hat jene Organismen aus diesen Gemeinschaften angereichert, die das neue Chlorophyll f enthielten“, berichtet Scheer. „Wir konnten zeigen, dass dieses Molekül dem Chlorophyll a strukturell sehr ähnlich ist, aber tiefer im infraroten Bereich absorbieren kann als die anderen vier bekannten Chlorophylle.“ Eine sogenannte Formyl-Gruppe bewirkt die Änderung der Absorption, wobei die genaue Position dieser Gruppe im Molekül für die langwellige Verschiebung der Absorption entscheidend ist.
Biotechnische Anwendungen denkbar
Die Erkenntnisse könnten helfen, weitere spektrale Änderungen an Chlorophyllen durchzuführen, um deren Funktion zu verändern. „Auch technische Anlagen, die Licht als Energiequelle nutzen, könnten unter Ausnutzung dieser Prinzipien einen größeren Wirkungsgrad bekommen“, sagt Scheer. „Dann gibt es aber auch noch medizinische Ansätze. Bei der photodynamischen Therapie von Krebs sammeln sich lichtempfindliche Medikamente im Tumor an. Durch gezielte Bestrahlung mit Licht werden sie von außen aktiviert. Im nahen Infrarotbereich absorbierende Chlorophylle sind hier besonders interessant, weil Strahlung in diesem Spektralbereich besonders tief in Gewebe eindringen kann.“
(Ludwig-Maximilians-Universität München, 25.08.2010 – NPO)