Mikrobiologie

Bakterien helfen sich gegenseitig

Träger starker Resistenz unterstützen schwächere auf Kosten der eigenen Fitness

Antibiogramm eines teilweise resistenten Erregerstammes. Nur Amoxicillin-Clavulansäure (AMC) und Chloramphenicol (C) zeigen eine Hemmwirkung. © Uwe Gille / CC-by-sa 3.0

Gegenseitige Unterstützung auch auf Kosten des eigenen Wohlergehens existiert selbst in einer der kleinsten Lebensformen – den Bakterien. Forscher haben entdeckt, dass Vertreter stark resistenter Stämme bei Antibiotikagabe eine Substanz produzieren, die weniger resistenten Populationsmitgliedern hilft, dem Angriff zu widerstehen. Die jetzt in „Nature“ erschienene Studie enthüllt auch, dass herkömmliche Resistenztests deshalb nicht immer aussagekräftig sind.

Resistenzbildung von Bakterien gegenüber Antibiotika ist eines der größten Probleme der heutigen Medizin. Unter anderem deshalb wird die Entwicklung resistenter Stämme genau überwacht. Bisher dachte man, dass es dafür ausreicht, nur wenige Individuen einer Population zu untersuchen, da alle Individuen innerhalb eines Bakterienstammes ohnehin das gleiche Resistenzniveau besitzen. Doch genau dies ist offenbar nicht der Fall, wie jetzt eine neue Studie von Forschern der Boston Universität und des Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering zeigt.

Überleben trotz schwacher Resistenz

Die Wissenschaftler unter Leitung von James J. Collins, Professor für Biomedizinisches Engineering an der Boston Universität, untersuchten die Entwicklung von Antibiotika-resistenten Bakterienstämmen, als sie Überraschendes bemerkten: In den Tests erwiesen sich ausgerechnet die Stämme am widerstandsfähigsten, in denen nur wenige hochresistente Isolate vorkamen, die restliche Population jedoch eher nur schwach bis gar nicht resistent war.

„Wir haben nicht erwartet dies zu finden”, erklärt Collins. „Typischerweise würde man erwarten, dass bei antibiotischem Stress nur die resistenten Stämme überleben und die sensiblen absterben. Wir waren ziemlich überrascht, als wir feststellten, dass die schwachen Stämme nicht nur überlebten, sondern sogar bestens gediehen.“ Offenbar sind sowohl Heterogenität als auch Komplexität innerhalb einer Bakterienpopulation stärker ausgeprägt als bisher angenommen.

Indol als Schützenhilfe

Aber warum? Das zeigte sich, als die Forscher daraufhin nachschauten, welche Moleküle die einzelnen Erreger untereinander austauschten. Dabei fiel auf, dass die hochresistenten Mitglieder der Population große Mengen eines kleinen Moleküls produzierten, ein Indol. Dieses wurde von den anderen Bakterien aufgenommen und scheint wie ein Steroidhormon zu wirken: Es hilft den sensibleren Mitgliedern der Population, dem antibiotischen Angriff besser zu wiederstehen.

Die Indol produzierenden Mitglieder der Population allerdings zahlen für diese Schützenhilfe einen hohen Preis. Denn die Produktion belastet sie so, dass ihre individuelle Fitness deutlich absinkt. Nach Ansicht der Forscher lässt sich daher ihre Indolproduktion als altruistischer Vorgang verstehen, als Opfer zugunsten des Wohles der Gesamtpopulation – etwas, was bisher von Bakterien nicht bekannt war.

Resistenztests müssen angepasst werden

Für die Medizin und insbesondere für die Resistenzüberwachung hat die neue Erkenntnis direkte Auswirkungen. „Wenn wir jetzt die Resistenz einer Population messen, wissen wir, dass sie uns ausgetrickst haben könnte“, so Collins. „Wir wissen sogar jetzt, dass selbst ein Isolat, dass vermeintlich keine Resistenz besitzt, dank seiner ‚Kumpels‘ einem Antibiotikum stärkeren Widerstand entgegensetzen kann als erwartet.“ Als Konsequenz müssten daher Testverfahren entsprechend angepasst werden.

(Boston University College of Engineering, 02.09.2010 – NPO)

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